Rosentod: Thriller (German Edition)
Trinken. Diese mitten unter ihnen, schweißbedeckt, mit glasigen Augen, die Mäuler weit offen. Einige kommen von einer Geburtstagsfeier und sind schon ziemlich dicht. Das kann ja heiter werden, orakelt Franziska Laska. Hoffentlich kotzen die bloß auf dem Klo und nicht hier im Saal. Den sauren Gestank von Erbrochenem kann sie nicht ertragen.
Mit undurchdringlicher Miene thront sie mit Freund Gottfried Tesslar am Kopfende des ersten der acht zusammengerückten Tische. Am Fußende der Tafel fallen ihr zwei Studenten der Bergstadt auf, die anscheinend besonders stark angetrunken sind. Ihr Grölen ist bereits mehr ein Krächzen, ihre Gestik nur noch hilflos und lächerlich. Zudem fallen ihnen fast schon die Augen zu, während hinter ihnen eine blonde Schönheit neben einem Jungen steht und die Blicke aller übrigen Männer auf sich zieht. Das Mädchen trägt ein raffiniert geschnittenes grünes Cocktailkleid und hat die Schärpe der Verbindung lässig um die Taille geknüpft. Ein offensiver Stilbruch. Ganz bewusst gesetzt. Franziska weiß natürlich, wie gern das Luder provoziert.
Sofort kocht sie vor Wut. Seit ihre Freundschaft mit Elke Röhm zerbrach, trennt die beiden Frauen mehr als Fragen des Stils. Ja doch, zeig schon, was du hast, du blödes Weib, ärgert sich die Studentenführerin. Am liebsten würde sie Elke an die Gurgel fahren, sie würgen, ihr ins Gesicht schlagen, aber das geht ja nicht.
Ihr Freund spürt das.
„Gräm dich nicht, mein Schatz“, lächelt er und verpasst ihr einen schmatzenden Kuss auf die Wange. „Wer auf dem hohen Ross sitzt, fällt tief.“
„Und bricht sich dabei das Genick“, vollendet die Obfrau den Satz düster. „Hoffe ich jedenfalls. Ich verachte die Schlampe. Ich könnte sie umbringen.“
„Contenance“, mahnt er leise. „Du fällst auf.“
„Ihr mustert euch, als wolltet ihr euch fressen“, grinst unterdessen Elke Röhms junger Kavalier.
„Die kann mich mal, die dumme Kuh“, meint die süße Blondine gelassen, nippt an ihrem Bier und streicht dem Jungen das Haar aus der Stirn. „Dein Vater hat eine Sportartikelfirma, sagst du? Interessant.“
Die Kellnerin bringt eine neue Runde Bier. Derweil schrauben sich die zwei Chargierten schräg vor ihr schnaubend von der Tafel hoch, grinsen Elke blöde an und wanken Hand in Hand aufs Herrenklo.
Zum selben Zeitpunkt spielt ein smarter dunkler Typ in Jeans und Sakko an der Bar mit dem Zoom seiner Filmkamera. Porträt, Brustbild, Übersichtsaufnahme. Bedächtig schwenkt er zu Elke. Dort verharrt die Kamera. So lange, bis es dem Mädchen zu bunt wird. Erst lacht sie bloß. Dann wird sie böse.
„Mach die Kamera aus, Max“, herrscht sie ihn an. „Und schnauf nicht so, wenn du mich anstarrst. Das hört sich an, als müsstest du ersaufen.“
Max Paulik stutzt. Sekunden danach ein knappes Nicken. Mit teilnahmsloser Miene steckt er das Bildaufnahmegerät in eine kleine Ledertasche, nimmt seinen Bierkrug hoch, zieht den Kopf zwischen die Schultern und trinkt.
An diesem Abend wird Elke nicht mehr gefilmt. Erst Tage später.
Von einem Experten der Spurensicherung.
Aber das ist eine andere Geschichte.
***
Graz, am nächsten Morgen.
Bezirksinspektorin Magistra Ulla Spärlich sitzt in ihrem kleinen Büro und blättert in einem Magazin.
Nach dem Ende ihres Krankenstands immer noch dasselbe Lied. Sie soll weg aus Graz. Wegen des Vorfalls vor vier Jahren. Ein Wunder, dass man ihr danach die Ausbildung an der Fachhochschule nicht verwehrt hat, aber eine Magistra trotz bestandener Auswahlprüfung abzulehnen, war den Herrschaften wohl doch zu riskant, mutmaßt die Kriminalbeamtin und spielt mit ihrem Kugelschreiber. Da war das Geschichtsstudium also doch einmal ganz nützlich. Pech gehabt, ihr Lieben, grinst sie. Künstlerpech.
Wie auch immer: Sie ist zurück. Zum Leidwesen ihrer Vorgesetzten. Und mit welchem Resultat? Eine Tür ohne Namensschild und ein Rattenloch als Büro. Schreibtisch, Computer, zwei Sessel und jede Menge Zeitungen. Dazu noch ein Stapel ausgefüllter Bestellformulare für Funkgeräte, Waffen und Toilettenpapier, die sie überprüfen und weiterleiten soll. Eigentlich müsste sie vor Langeweile aus dem Fenster springen. Oder vor Zorn. Egal.
Man muss erst nachdenken, wo man sie optimal einsetzen kann, sagt man ihr. Wäre sie ein Mann, wäre Alkohol eine Option, aber als intelligente Frau hält sie sich besser ans Lesen. Das verursacht keine Nebenwirkungen und hält die Ganglien auf Trab.
Den Band über
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