Rosentod: Thriller (German Edition)
halt doch einfacher, als sie umzusetzen.
„Wer kämpft, kann verlieren“, schnauft sie aber dann endlich und ringt sich ein verkrampftes Lächeln ab. „Wer nicht kämpft, hat schon verloren.“
Entschlossen greift sie zum Telefon.
Sie wird sich um diesen Job bemühen. Auf der Stelle.
Die Würfel sind gefallen.
***
Eigentlich hätte er ein guter Mensch werden wollen. Bis zu einem bestimmten Punkt war er das auch. Jahrelang.
Das ist jetzt vorbei.
Tag für Tag Gewissensbisse und der ewige Kampf gegen das Verlangen. Genug damit. Er ist ein Mann, braucht eine Frau und holt sich eine. Was ist schon dabei?
Dass er die Handschellen in die Finger bekam, war eine Fügung. Mit diesem Fesselzeug kann er seine Fantasien ausleben. Und er kann eine alte Rechnung begleichen. Da hat er schon einen Plan.
Nachdenklich betrachtet der Typ in Schwarz sein Spiegelbild in der Heckscheibe des schwarzen Geländewagens, öffnet die Ladeklappe und legt die Handfesseln zum Schlafsack und zu den rostigen Ketten, die neben einem neu gekauften Satz Felgen liegen.
Er braucht Ballast. Mit den Ketten allein schafft er es nicht. Der Steinbruch fällt ihm ein. Dort liegen jede Menge Steine und nachts arbeitet bloß ein Viertel der üblichen Mannschaft. Da wird sich keiner um ein Auto kümmern, das abseits der beiden Abbaustellen anhält und nach fünf Minuten wieder verschwindet.
Ganz allgemein wird die Aufmerksamkeit des Menschen ja in geradezu lächerlichem Ausmaß überschätzt, konstatiert der breitschultrige Kerl und setzt eine schwarze Wollmütze auf. Der Bürger schert sich ja nur um Dinge, die ihn persönlich betreffen. Ein fremder Wagen im Firmengelände? Uninteressant. Beim Haus des Nachbarn jault die Alarmanlage? Das gibt sich schon wieder. Eine Frau schreit? Na und? Wir denken ausschließlich an uns selbst. Das ist unsere Natur. Deshalb boomt ja das Verbrechen.
Lächelnd schlägt der Schwarzhaarige die Heckklappe des Jeeps zu. Alles paletti. Was jetzt noch fehlt, ist die günstige Gelegenheit.
Sobald die da ist, kann er loslegen.
***
Leoben im Schnee.
Das ist sie also, die alte, geschichtsträchtige 30.000-Seelen-Stadt in der Obersteiermark. Erbaut in alter Zeit, in den Schlingen der Mur, über deren Ufer sie sich rasch ausbreitete. Seither bedeckt der Ort den gesamten Talkessel, der von begrünten Hügeln und bewaldeten Bergen gesäumt wird.
Früher war die zweitgrößte Stadt des Bundeslands eine bedeutende Bergbaumetropole, heute ist sie ein Industriestandort mit Strukturproblemen. Außer dem Stahlwerk der Voest-Alpine gibt es hier nicht mehr viel. Keine besonders gute Perspektive für die Jugend. Obwohl in letzter Zeit wieder Hoffnung aufkeimt, dass die geistige und fachliche Potenz des Raums zu neuen Firmenansiedlungen führen wird.
Der Abschied von Graz fällt Ulla schwer, aber dass ihr dafür, Dank der Kontakte eines Kollegen in ihrem neuen Umfeld, ein ganzes Haus in den Schoß fällt, tröstet sie. Das ungefähr 50 Jahre alte Gebäude steht parallel zur Mur, zwischen Fluss und Südbahnstraße. Davor ein Parkplatz, dahinter fällt die Böschung sofort steil zum Ufer der Mur hin ab. Der vor der Schmalseite gegen Süden zu angelegte Garten liegt ein paar Meter unter dem Straßenniveau und wird von massiven Steinmauern gestützt.
Ullas neues Zuhause hat eine renovierte Fassade, einen modernen Zubau, und befindet sich, alles in allem gesehen, in recht gutem Zustand. Auf 120 Quadratmetern stehen im Erdgeschoss ein Wohnzimmer, ein Schlafzimmer, eine Küche und ein Bad zur Verfügung, während das Obergeschoss einem Arbeitszimmer und einem Fremdenzimmer vorbehalten ist. Zwar ist die Ölheizung schon bedenklich in die Jahre gekommen, aber mit dem Schwedenofen im Erdgeschoss könnte sie im Notfall wenigstens das Wohnzimmer beheizen. Ulla besitzt einen zweijährigen Mietvertrag. Die Besitzerin jobbt in New York und ist froh, wenn sich jemand um ihr Haus kümmert.
Ein wahrer Glücksfall.
Der Antrittsbesuch bei ihrem neuen Chef verläuft weit weniger günstig. Er habe Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt, um sie zu verhindern, gesteht ihr der gestresste Kriminaloffizier nach einem kühlen Händedruck. Es folgen eine kurze Führung durchs Haus, die Zuweisung eines kleinen Büros und die Aushändigung des Dienstplans.
Es sei alles gesagt, knurrt der Major danach und bringt sie an die Tür. Er erwarte ihren Dienstantritt morgen, pünktlich um acht. Falls sie es sich nicht doch noch anders überlege und nach Graz
Weitere Kostenlose Bücher