Rosentod: Thriller (German Edition)
Wütend legt sie auf. Da will sie jemand ärgern, überlegt sie. Nervös machen.
Aber warum macht sich der Typ die Mühe?
Was steckt da dahinter?
***
Wenn die Studentenverbindung Bergstadt Feste feiert, geht der Rest der Welt in Deckung.
Das ist seit jeher so.
Im Zentrum des Geschehens das altehrwürdige Corpshaus. Davor ein Bierwagen, von zwei Schimmeln gezogen, und auf der Ladefläche, schwankend, Gottfried Tesslar, in schwarzer Bergmannsuniform. In seiner Rechten ein grauer Tonkrug, aus dem er ab und zu trinkt, wobei ihm das Bier übers Kinn und den Hals rinnt. Hinter ihm hocken seine acht Musikanten. Obwohl schon schwerstens illuminiert, spielen sie immer noch die alten Studentenlieder. Laut, falsch, aber gänzlich unverdrossen.
Vor dem Wagen drei Chargierte im Vollwichs, also kniehohen schwarzen Stiefeln und weißen Hosen. Darüber einen schwarzen Rock und eine bunte Schärpe. An der Seite hängt der als Schläger bezeichnete Säbel und auf dem Kopf thront das Barett. Sie unterhalten sich mit Franziska Laska, die in ihrem schwarzen Hosenanzug bis an die Kante des Wagens heranrückt. Mit glänzenden Augen.
„Ich liebe dich“, raunt sie Tesslar zu. „Hörst du?“
„Ich dich auch“, grinst er, richtet sich auf und wirft den leeren Bierkrug auf die Fahrbahn, wo er zersplittert. Applaus, Gesang und viel Gelächter. Verwandte und Freunde des Studienabsolventen filmen und fotografieren, bis ein Trompetensignal ertönt.
Ein scharfes Kommando. Schon stellen sich die Chargierten auf, dahinter der Wagen, gefolgt vom Tross der Gäste. Über die festgelegte Route geht es ins Stadtzentrum und über den Hauptplatz links abbiegend bis zur Franz Josef-Straße. An der Spitze des Zugs fährt die Polizei. Mit rotierendem Blaulicht.
„Glückauf, Glückauf!“, brüllen der Philister und seine Begleiter, und sie singen die altbekannten Lieder, bis sie vorm Portal der Universität angekommen sind.
Dort holen ihn zwei schwer alkoholisierte junge Herren im Bergmannskittel vom Wagen, heben ihn auf die Schultern und tragen ihn ans Portal, an dem schon das ehrwürdige Schlagholz angebracht ist.
„Dein Name?“, schreit einer der Chargierten.
„Gottfried Tesslar.“
„Deine Heimat?“
„Die schöne Steiermark.“
„Dein Stand?“
„Erdölmann.“
„Dein Wahlspruch?“
„Igni et ferro.“
„Ich frage dich jetzt auf Ehr und Gewissen. Wie viel Semester hast du studiert?“
„Sechzehn“, brüllt der Philister und spannt die Muskeln an, bevor ihn seine Beistände ergreifen und gegen das Schlagholz werfen. Sechzehn Mal. Die Burschen schnaufen ganz schön, als sie ihn wieder zu Boden stellen und ihm einen kameradschaftlichen Klaps verpassen.
Schnell reicht ihm ein Chargierter den frisch gefüllten Bierkrug, den er in einem Zug leert und am Boden zerschlägt. Jetzt rasch noch die Hände gereicht, den „Gaudeamus igitur“ gesungen, und schon geht es zurück zum Hauptplatz, wo der frisch gebackene Absolvent auf den Barbarabrunnen klettert, die Bergmannstatue küsst und eine launige Rede hält.
Er gestaltet sie recht unterhaltsam. Applaus brandet auf. So einen Tag gibt es halt nur einmal im Leben. Stolz zerrt Franziska Laska ihren Freund vom Brunnen und umarmt ihn. „Treffpunkt Corpshaus“, brüllt der Philister zwischen zwei Küssen. „Ab die Post!“
Lautstark übernehmen die Chargierten das Kommando. Nach und nach sammeln sie die Festgemeinde und ziehen gemeinsam los. Zurück zum Ausgangspunkt.
Am Straßenrand steht Ulla Spärlich. „Sieh mal einer an“, wundert sie sich. „Die Laska und der Tesslar. Wer hätte das gedacht?“
Jetzt braucht die Chefinspektorin eine Tasse Kaffee.
Und einen Platz, wo sie in Ruhe nachdenken kann.
Zwei Stunden später.
Ullas Telefon läutet. Joe Maringer lädt sie zu sich ein. Wortreich erklärt er ihr, wo sie ihn findet.
Ihr erster Impuls: Hin zu ihm. Rasch.
Ihr zweiter Impuls: Absagen.
Was bildet der sich ein? Sie ist keine, die so leicht zu haben ist. Andererseits könnte die Einladung ja auch ganz harmlos sein. Kurz gesagt, sie weiß nicht so recht, was sie von der Sache halten soll.
Also ist sie auch ganz schön nervös, als sie die kurvige Straße bergan fährt. Die Wegbeschreibung war überaus präzise. Trotzdem fährt sie vor lauter Herzklopfen erst einmal an der richtigen Abzweigung vorbei, ehe sie den Irrtum bemerkt und wendet. Vor Maringers Haus steht sein bulliger schwarzer Geländewagen. Sie mag Autos dieser Art. Jeeps haben etwas von
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