Rosentod: Thriller (German Edition)
unbeschwerter Freiheit, von Individualität.
Auf Joes Stirn prangt ein Heftpflaster. Er trägt knappe schwarze Jeans und ein schwarzes Shirt, als er ihr öffnet.
Ihr Kollege soll nicht merken, wie aufgeregt sie ist. Also tief durchatmen. Dabei gerät der Geruch seines Rasierwassers in ihre Nase. Prada. Kein anderer Duft würde besser zu ihm passen.
„Hallo.“
„Schön, dass Sie da sind.“
Sie nickt. „Wieso duzen wir uns eigentlich nicht?“
„Hast du mir bisher noch nicht angeboten, aber ich freue mich. Was machen deine Rippen? Schmerzen?“
„Nur noch beim Laufen. Und wie geht es deinem Kopf?“
„Ein kleines Loch“, grinst Maringer. „Sie haben es genäht, aber mein Ego ist ziemlich im Arsch. Ich hab mich blöd angestellt.“
„Ich mich auch“, ergänzt Ulla.
„Du bist eine Frau“, entgegnet er augenzwinkernd. „Und du bist nicht ins Wasser gefallen. Außerdem bin ich älter und erfahrener als du.“
„In welcher Hinsicht?“, fragt sie schnippisch.
„In jeder“, kontert er.
Im Wohnzimmer viel helles Holz, eine Kommode aus schwarzem Glanzlack und ein rotes Ledersofa. Linker Hand ein Riesenaquarium, effektvoll beleuchtet. Wasser in dunklem Blau, große Fische wie aus geprägtem Silber, ein kleiner schwarz-gelber Rochen, am Boden feinkörniger, beinahe gelber Sand, ein paar Grünpflanzen und eine schwarzbraune Baumwurzel.
„Gott, ist das schön“, staunt Ulla.
„Es ist das kleinste Aquarium hier im Haus“, macht ihr Maringer klar. „3.000 Liter Wasser.“
„Was sind das denn für wundervolle Fische?“
„15 Piranhas, zwei Arowana, ein Harnischwels und ein Perlenrochen.“
„Die sind aber groß.“
„Da müsstest du erst einmal die Riesenrochen im Keller sehen.“
„Rochen sind doch Salzwasserfische“, wundert sie sich.
Joe widerspricht. Seine Tiere wären Süßwasserrochen aus Südamerika. Die meisten davon aus dem Amazonas. Jahrelang war er der einzige Züchter in ganz Europa. Jetzt gebe es auch noch zwei andere.
„Wie kommt ein Mann dazu, sich für Aquarien zu interessieren?“
„Das ist nicht so einfach zu beantworten“, sagt er. „Ich träumte halt davon. In meiner Kindheit. Verwirklichen konnte ich diesen Traum aber erst, als ich mein eigenes Geld verdiente. Später baute ich meine Aquarien selbst. Das mache ich übrigens auch heute noch.“
„Und diese Rochen? Wie bist du an die geraten?“
„Die ersten kaufte ich noch in Passau. Sie verendeten, weil die Wassertemperatur nicht passte und ich damals von Aquarien noch keine Ahnung hatte. Später besorgte ich mir die Tiere aus Südamerika, per Luftfracht in einer Styroporbox, um ein zu schnelles Abkühlen des Wassers zu verhindern. Die Box steckt in einer Plastiktüte, die mit reinem Sauerstoff gefüllt ist. Eine sehr aufwendige Art des Tiertransports. Nicht gerade billig.“
„Wieso gerade Rochen?“
„Weil sie mit den Haien verwandt sind. Irgendwann einmal durchliefen sie zwar eine andere Entwicklung als ihre gefährlicheren Neffen, aber ihre Anatomie ist dem Hai immer noch sehr ähnlich. Was ihre Faszination ausmacht, ist dann vor allem die Art und Weise, wie sie sich im Wasser bewegen. Diese atemberaubende Eleganz. Einfach sagenhaft.“
„Na, dann zeig mal“, lacht sie und blickt ihm ganz tief in die Augen. „Die größeren Tiere, meine ich.“
Das Riesenaquarium im Keller verschlägt ihr dann glatt die Sprache.
„Du stehst vor beinahe 20.000 Litern Wasser“, sinniert der Chefinspektor. „Ich hab ein halbes Jahr lang daran gebaut.“
„Unglaublich“, flüstert Ulla. Nicht weniger als elf Rochen gleiten durchs Wasser, darunter fünf Riesenexemplare. Maringer zeigt ihr die beiden Blumenrochen, deren Zeichnungen an Blütenblätter erinnern. Sie stammen aus einem Grenzfluss zwischen Kolumbien und Venezuela. Die beiden schwarz-gelben Flachmänner im Vordergrund hingegen seien Perlenrochen.
„Und die beiden anderen?“, fragt sie. „Die kleineren rabenschwarzen, mit den weißen Tupfen?“
„Itaitubarochen. Benannt nach einer Ortschaft an einem Nebenarm des Amazonas. Wenn sie jung sind, haben sie eine gelblich-braune Grundfarbe und hellgelbe Flecken, erst später werden sie so schwarz.“
Die Tiere sind nicht die Spur aufgeregt und bewegen sich, als seien sie Haie an einem Riff.
„Sie haben einen Giftstachel“, erklärt ihr Joe. „Der sitzt im hinteren Drittel des Schwanzes. Gnade Gott dem, den sie damit stechen.“ Dabei versucht er, sie zu küssen, aber sie dreht den Kopf weg,
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