Rosentod: Thriller (German Edition)
wieder nach Hause.
Ulla stört diese plötzliche Ruhe. Also packt sie ihren kleinen Rucksack und marschiert zum Fitnesscenter. Dort setzt sie sich in die Sauna und stellt sich lange unter die Dusche. Als sie gegen 22 Uhr zu ihrem Kleiderkästchen kommt, steht es weit offen.
Glücklicherweise fehlt nicht viel.
Genau genommen gar nichts, außer Ullas schwarzer Lieblingsslip, spitzenbesetzt und aus wunderbar glatter Seide.
Der nächste Tag beginnt mit Schreibarbeit.
Nüsslers Dokumentation der telefonischen Beschwerde umfasst zwei Seiten, und Arroganz ist noch das Freundlichste, was Elke Röhms Mutter seiner Stellvertreterin vorwirft.
Ulla braucht eine ganze Stunde, um passende Formulierungen zur Rechtfertigung ihres Vorgehens zu finden. Danach ist der Ärger über die Beschwerde aber auch schon wieder verflogen.
So ein Samstagmorgen als Journalbeamtin ist eigentlich ganz beschaulich. Diese Ruhe im Haus. An die könnte Ulla sich direkt gewöhnen. Emotionslos deponiert sie ihren Bericht mitten auf dem Schreibtisch des Majors und geht zurück in die Journaldienstkanzlei. Wenngleich es draußen kühl ist, scheint die Sonne durchs Fenster. Das macht sie fast ein wenig fröhlich.
Ein kurzes Telefonat mit Maringer. Über sein Bad in der Mur verliert sie kein einziges Wort. Dafür erzählt sie ihm von ihrem eigenen Aufeinandertreffen mit Aschenbrenner und dessen Flucht aus dem Moonlight. „Er muss mit Elke Röhms Verschwinden in Zusammenhang stehen. Anders sind seine Verhaltensweisen ja kaum erklärbar.“
Nachdenkliche Stille. „Stimmt, der Kerl hat sich schon mehrmals an Frauen vergriffen, und sein Benehmen macht ihn verdächtig“, räumt ihr Kollege ein. „Vielleicht ist das unser Mann. Vielleicht aber auch nicht. Man wird ja sehen.“
Sie beenden das Gespräch. Ulla kocht Kaffee, trinkt eine Tasse und studiert Kurt Aschenbrenners Akte. Nicht besonders appetitlich, was sie da alles findet. Vergewaltigung alkoholisierter junger Frauen, bevorzugt Blondinen. Verurteilt zu fünf Jahren Knast, nach drei Jahren wieder entlassen. Wegen guter Führung.
„Was heißt denn das jetzt wieder?“, ärgert sie sich. „Hat er Adventskränze gebunden, im Anstaltschor gesungen oder das Klosett geputzt? Was können Häftlinge denn im Knast schon groß anstellen? Wie kann der sich dort anders führen, als gut? Wir reißen uns den Arsch auf, um solche Schweinebacken einzubuchten, und die Justiz lässt sie frühzeitig wieder laufen. Die sind doch nicht ganz dicht.“
Wütend klappt sie den Aktendeckel zu. Ungerechtigkeit kann sie nicht ausstehen. Das war schon immer so.
Nachdem sie sich wieder beruhigt hat, bittet sie einen Beamten der Kripostreife, sie im Journaldienst abzulösen und fährt nach Bruck. Vereinbarungsgemäß erwartet sie der dortige Kriminalreferent in der einzigen Konditorei am Platz. Ulla trinkt Tee und isst ein halbes Stück Torte. Der Brucker Kollege hält sich an Kaffee.
„Natürlich wurde Aschenbrenners privates Umfeld bereits unter die Lupe genommen“, erzählt er. „Seine Eltern kamen bei einem Verkehrsunfall um, und ihr Haushalt wurde aufgelöst. Kurt ist seit dem 17. Lebensjahr einschlägig bekannt. Erst wegen Belästigung von Frauen. Später wegen Schändung.“
Verwandte? Freunde? Ulla ist ungeduldig.
Es gebe da einen Bruder in der Schweiz, erfährt sie. Die Polizei Winterthur sei bereits in Kenntnis gesetzt worden. Falls er sich dort verkrieche, habe er keine Chance. Freunde in Bruck oder im weiteren Umkreis seien nicht bekannt. Die Restaurants und Lokale, in denen der Gesuchte normalerweise verkehre, würden beobachtet.
„Besitzt der Typ ein Auto?“
„In der Zulassungsdatei scheint er nicht auf. Ist auch kein Wunder. Aschenbrenner ist arbeitslos. Da ist nicht davon auszugehen, dass er sich einen fahrbaren Untersatz leisten kann.“
Zu Mittag sitzt Ulla schon wieder in der Journaldienstkanzlei, schluckt einen Appetitzügler und trinkt zwei Glas Wasser. Anschließend hockt sie sich vor den Computer und vertreibt sich die Zeit damit, Nachforschungen zu Kurt Aschenbrenner anzustellen.
Ihre verschwundene Unterwäsche fällt ihr ein. Eine seltsame Parallele zu Elke Röhm. Dennoch verzichtet sie darauf, den Diebstahl ihres Schlüpfers anzuzeigen. Sie will sich vor den Kollegen nicht lächerlich machen. Gerade jetzt nicht, wo sie dabei ist, endlich akzeptiert zu werden.
Gegen Mittag klingelt ihr Telefon. Wieder einmal meldet sich der Anrufer nicht, obwohl sie seinen pfeifenden Atem hört.
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