Rosentod: Thriller (German Edition)
im Dienstwagen ständig die Scheiben an. Fluchend schaltet Koschinsky die Klimaanlage ein, aber die lässt sich nicht ordentlich steuern und bläst ihnen fast den Schädel weg.
Maringer erträgt den Luftzug ohne Murren, denkt an Ulla und fragt sich, wieso sie sich so seltsam benimmt, seit dieser Koschinsky in der Stadt ist. Dann wandern seine Gedanken zu Aschenbrenner. Joe kennt den Weg zum New York und gibt tüchtig Gas. Auf der Bundesstraße herrscht nicht besonders viel Verkehr, und sie kommen gut vorwärts.
Nach einer halben Stunde durchqueren sie die Ortschaft Niklasdorf, fahren noch etwa fünf Kilometer und biegen links ab. Es folgen eine Unterführung und eine sanfte Rechtskurve. Danach gondeln sie ganz allein in Richtung Waldrand.
Das New York wurde schon mehrmals umgebaut. Vor dem Anwesen umrahmen alte Birnbäume einen unbefestigten Parkplatz, an dessen Rändern jede Menge Container stehen, die mit leeren Bier- und Schnapsflaschen gefüllt sind. Die Disco selbst liegt hinter einer niedrigen Mauer. Der Eingang ist fest verschlossen.
„Macht nichts“, grinst Maringer, hält den Wagen an, lässt das Fenster runter und pappt das Blaulicht aufs Dach. „Der Besitzer wohnt gleich da oben.“
Tatsächlich. Etwa 50 Meter bergauf klebt ein einzelnes Haus hart an den Ausläufern des Mischwalds. Es ist frisch verputzt, trägt ein neues Dach und ist nicht umzäunt.
So ein Scheißtag, sinniert Koschinsky. Irgendwie geht heute alles so langsam. Und überhaupt. Es wird Zeit, dass er den Sportsfreunden hier einmal zeigt, was er so drauf hat. Aber deutlich.
Kaum hält Maringer den Wagen an, springt der Ermittlungsleiter auch schon ins Freie. Seine dünnen, schwarzen Lederschuhe verschwinden beinahe im Morast. Scheiße! Und wieso schaltet Maringer jetzt auch noch das Blaulicht ein? Der Mann mag ihn nicht, spürt Koschinsky und stapft zur Haustür. Ein typischer Provinztrottel eben. Der kann ihn mal.
„Hallo?“, ruft er. „Ist jemand zu Hause?“
Keine Antwort.
Forsch öffnet Koschinsky die Eingangstür. Dahinter, dezent die Zähne gefletscht, hockt ein Riesenköter, Marke Pitbullterrier. Die sind bekanntlich auf den Mann dressiert.
Ein raues Bellen.
Schon rennt Koschinsky los.
Alle Achtung.
Nie im Leben hätte Maringer diesem unsympathischen Arschloch solche Sprinterqualitäten zugetraut, aber er schafft es tatsächlich noch in den Dienstwagen, ehe das kläffende Vieh heran ist und sich den Schädel ungestüm am Seitenfenster wundschlägt.
„Wusstest du, dass die hier einen Hund haben?“, fragt Koschinsky keuchend.
„Klar“, entgegnet Maringer fröhlich und hupt zwei Mal.
„Und wieso sagst du da keinen Ton?“
„Ich dachte, du kannst lesen“, kontert Ullas Herzblatt kühl, deutet auf die Tafel „Achtung! Bissiger Hund“, und wartet in aller Ruhe, bis sich der Hundehalter endlich vor der Haustür zeigt.
***
Ulla ist unruhig.
Hastig parkt sie ihren Dienstwagen hinter der evangelischen Kirche und überquert die Straße.
Im Neubau der Montanuniversität ist um diese Zeit nicht mehr viel los. Die meisten Hörerinnen und Hörer sind bereits aus dem Haus. Die Professoren auch. Der Mann, den Ulla Spärlich sucht, gilt als Experte für Bergwesen und arbeitet angeblich täglich bis in die Nacht hinein.
Sie findet ihn im hintersten Winkel des Erdgeschosses. Der asketische Mann um die 60 studiert gerade die Pläne eines Bergwerkbetriebs. Über die Störung ist er nicht gerade erfreut, und Ulla muss alle Register ziehen, um ihn zu besänftigen. Dass sie Kriminalbeamtin ist und in einem Mordfall ermittelt, scheint ihn bloß zu langweilen. Der Gesteinsbrocken, den sie ihm da auf den Tisch knallt? „Der ist keine Herausforderung für mich“, sagt er, nachdem er einen kurzen Blick darauf geworfen hat. „Über ein derart simples Material können Sie überall Auskunft bekommen, da müssen Sie keinen Wissenschaftler belästigen. Das ist Kalk. In derartiger Qualität und Ausprägung kommt der in dieser Stadt nur an einer Stelle vor: Am Steinbruch Hinterberg.“
„Das ist doch Betriebsgelände“, murmelt sie nachdenklich.
Der Professor nickt.
Eine halbe Stunde später ist sie auch schon vor Ort. Es dauert nicht lange, bis sie sich einen jungen Ingenieur geangelt hat und ihm ihr Beweisstück unter die Nase reibt.
„Ja“, bestätigt er. „Solche Brocken gibt es hier. Haufenweise.“
Ulla steht bis über die Knöchel im Dreck. In Sichtweite zum Verwaltungsgebäude, aber schon direkt an der steilen
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