Rosentod: Thriller (German Edition)
der Disco, Elke machte sich an einen Kerl ran, und der machte stattdessen ihr schöne Augen. Da flippte Elke total aus und schlug mit den Fäusten auf sie ein. Das war ein Schock. Danach hatten sie keinen Kontakt mehr.
Ulla schenkt noch etwas Tee nach. „In Ordnung“, sagt sie. „Und was hast du auf dem Herzen?“
„Kürzlich fand ich eine Bonbonniere vor meiner Haustür, und dachte mir nichts dabei. Heute aß ich die ersten Pralinen.“
„Na und?“, fragt Ulla ungeduldig.
„Schau, was heute in meinem Postfach lag“, sagt die Studentin nervös und schiebt der Chefinspektorin einen kleinen Zettel über den Tisch. Die nimmt ihn vorsichtig hoch und faltet ihn auf.
„Naschen kann tödlich sein“, zitiert sie laut. „Schöne Grüße aus der Wachau.“ Ratlos legt sie den Zettel zur Seite. „Wachau? Was soll denn das jetzt?“
„Erinnerst du dich nicht mehr? Vor ein paar Jahren wurde dort ein Bürgermeister mit einer Praline vergiftet“, empört sich Judith. „Presse und Fernsehen berichteten wochenlang darüber.“
„Ach ja. Aber wer schreibt so etwas? Ein Witzbold?“
„Ist nicht besonders komisch“, meint die Studentin.
„Nein“, bestätigt Ulla. „Deine Pralinen waren aber anscheinend in Ordnung, sonst lägst du jetzt im Krankenhaus. Oder in der Leichenhalle. Lass mir das restliche Zeug da. Wir werden es untersuchen.“
Judith bedankt sich. „Das ist aber noch nicht alles“, ergänzt sie. „Gestern schmierte mir jemand mit Kreide eine Internetadresse an die Haustür. Auf dieser Homepage läuft ein sehr seltsames Video, mit mir als Hauptdarstellerin. Man sieht, wie ich die Straße überquere und die Uni betrete, wie ich nach Hause komme und wo ich wohne. Findest du es nicht auch merkwürdig, dass jemand mich beobachtet und einen Film von mir ins Internet stellt?“
Die Chefinspektorin erspart sich eine Antwort. „Die Adresse“, flüstert sie und spürt, wie sich ihre Nackenhaare sträuben. „Sag schon: Auf welcher Homepage läuft das?“
„Auf www.rosentod.com“, sagt Judith verzweifelt und schlägt die Hände vors Gesicht.
***
Die kleine Kirche steht am westlichen Ende eines kleinen Friedhofs am Rand des Ortsteils Göss, eingeklemmt zwischen der nahen Schnellstraße S6 und der Turmgasse, die von ein paar Mietshäusern gesäumt wird.
Stadteinwärts schließt ein Spanplattenwerk an, nach Osten zu breitet sich ein Sägewerk aus und jenseits der Turmgasse fließt die Mur. Draußen ist es dunkel, doch die Straßenlaternen spenden noch ein leidlich annehmbares Licht.
Die alte Frau, von deren Schlafzimmerfenster aus man das Friedhofsgelände gut überblickt, schläft wieder einmal schlecht. Eigenartige Geräusche dringen an ihr Ohr. Irgendetwas geht da vor. Zwölf Minuten nach Mitternacht telefoniert sie nach der Polizei.
Kurze Zeit später treffen zwei Streifenwagen ein, während unter den Augen der Zeugin eine dunkle Gestalt aus der alten Kirche huscht, über das verschlossene Tor des Hintereingangs klettert und stadtauswärts flüchtet.
Sofort brüllt die Alte los.
Eine Viertelstunde später wimmelt es von Einsatzfahrzeugen mit blitzenden Blaulichtern und von hektischen Beamten. Hundegebell. Kommandogeschrei. Wer soll denn da noch schlafen? Niemand. Folglich gehen ringsherum die Lichter an.
Bald sind auch Koschinsky und Maringer vor Ort. Jeder mit einem eigenen Dienstwagen. Maringer spricht mit dem Einsatzleiter der Uniformierten. Derweil fordert Koschinsky per Funk Nachtsichtgeräte an. Die müsse man ihm vom Bundesheer besorgen, teilt man ihm mit. Vor acht Uhr früh sei dort aber niemand zu erreichen.
Eine Idiotie. Koschinsky tobt.
Mittlerweile verfolgt ein Polizeihund die Fährte des Verdächtigen. Von der Kirche, über die Straße, das Bankett entlang, und von dort aus über die dicht mit Bäumen und Buschwerk bestandene Böschung zum Flussufer. Gereizt wedelt der Vierbeiner mit dem Schwanz, während der Hundeführer hilflos ins Dunkel starrt.
„Aschenbrenner“, schreit er. „Bleiben Sie stehen und ergeben Sie sich, sonst setze ich den Diensthund ein.“
Von Sekunde zu Sekunde wird Bello von der Vogeltränke jetzt nervöser, schnüffelt und hechelt, zerrt an der Leine, ist kaum noch zu halten. Deshalb nimmt der Polizist dem stämmigen Schäfer auch endlich den Maulkorb ab, öffnet den Verschluss der Leine und lässt den Köter los.
Ach, du meine Güte.
Aschenbrenner hört das laute Kläffen und ahnt schon, was da auf ihn zukommt. Waffe hat er keine. Ein
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