Rosentraeume
habe, ohne daß es mir möglich ist, mich dir gänzlich zu widmen. Aber dein Wohlergehen muß ich über meine Sehnsucht stellen. Wir werden einen geheimen Ort finden, wo wir einige Stunden ungestört miteinander verbringen können.«
»Vielleicht entdecken wir morgen eine geheime Lichtung im Wald, wenn wir auf der Falkenjagd sind«, flüsterte sie. Sie schmiedeten den Plan, sich an jener Stelle zu treffen, wo sie als Kinder immer gespielt hatten.
Edward gab ihr noch einen Gutenachtkuß, nur mit eisernem Willen gelang es ihm, seine Liebeswünsche zu unterdrücken. »Geh. Geh jetzt, solange noch Zeit ist. Ich werde dir heimlich folgen, werde mich im Schatten halten, um zu sehen, daß du auch sicher zu deinen Gemächern gelangst.«
Joan besaß keinen eigenen Willen mehr. Sie würde ihm gehorchen, ganz gleich, was er auch von ihr verlangte.
Brianna saß weit nach Mitternacht immer noch an ihrem Schreibpult. Sie stellte fest, daß die Konzentration, die sie brauchte, um eine Legende niederzuschreiben, ihr half, ihre Sorgen wenigstens für den Augenblick zu vergessen. Nach einer oder zwei Stunden, in denen sie sorgfältig und konzentriert schrieb, fühlte sie sich besser. Eine große Befriedigung überkam sie, wenn sie etwas schaffte, das anderen Freude bereitete. Indem sie die Legenden in ihre eigenen Worte faßte, würde sie vielleicht die Gemüter der Leser erreichen, sie entweder zum Lachen oder zum Weinen bringen.
Ihre Schriften berichteten von den Heiligen. Gegenwärtig erzählte sie die Geschichte des heiligen Georg und des Drachens, die der kleine Randal schon einmal ruiniert hatte. Den Großbuchstaben T beispielsweise gestaltete sie jedesmal zu einem herrlich verzierten Schwert. All die großen Krieger der Geschichte hatten ihre Schwerter voller Verehrung behandelt und ihnen Namen verliehen, als seien es Freunde. Rolands Schwert hieß Durendal, und das Schwert Karls des Großen hatte Joyeuse geheißen. König Edward nannte seine Lieblingswaffe Unbesiegbar.
Als sie dann ihre Federkiele und Pinsel säuberte, dachte sie an den dunklen Ritter mit dem Adlergesicht und dem Adlernamen. Er war bestimmt ein Krieger, der für seine Waffen Namen erfand. Wie eigenartig, daß er zu den Beauchamps gehörte! Wenn sie Robert heiratete, so wäre der Araber ihr Schwager. Es durchrieselte sie heiß. Ihre alte Kinderfrau hätte jetzt gesagt, daß eine Gans über ihr Grab liefe. Brianna rief sich zur Ordnung. Wenn sie nicht aufpaßte, würde sie ihren Seelenfrieden verlieren und wieder in ihre alten Depressionen verfallen.
Sie war heute abend von Robert ziemlich enttäuscht gewesen, nährte sie doch seit langem romantischere Vorstellungen von ihrem Bräutigam. Atemlos hatte sie jeden Schritt auf dem Weg der Umwerbung erwartet, der zu einem Leben der Liebe und der Erfüllung führen würde. In unbestimmter Weise fühlte sie sich jetzt betrogen - all die Blicke, die Seufzer, das Händchenhalten und die langen Unterhaltungen, in denen sie einander kennenlernten, ihre Vorlieben und Abneigungen, Träume und Hoffnungen herausfanden, waren ihr vorenthalten worden. Ganz sicher sollte der erste Kuß zögernd sein, zart, nicht ein solcher Überfall! Es schien ihr, als hätte Robert zu viele Stationen des Werbens ausgelassen, als wäre er wie ein Rüpel gleich über sie hergefallen. Für eine solche Intimität war sie noch nicht bereit. Sowohl seine Handlung als auch sein Benehmen hatten in ihr das Gefühl hinterlassen, verletzt worden zu sein. Ganz plötzlich war er nicht mehr ihr Ritter in der glänzenden Rüstung, nicht mehr der Held ihrer Träume.
Doch dann siegte ihre Vernunft. Er war ein Mann aus Fleisch und Blut, dessen Erziehung dem Kriegshandwerk galt. Er hatte keine Zeit gehabt, romantische Epen zu lesen. Männer und Frauen wuchsen in zwei verschiedenen Welten auf. Seine Lust heute abend war hervorgerufen durch seine Furcht vor der bevorstehenden Konfrontation mit den Franzosen. Zudem ließ ihn das plötzliche Auftreten eines älteren Bruders, der so überwältigend gut aussah und bereits zum Ritter geschlagen war, um seinen Stand fürchten. Eigentlich hatte er nur menschlich reagiert.
Vielleicht lag der Fehler ja auch bei ihr. Sie gab sich törichten Märchen hin und war wahrscheinlich sehr unrealistisch. Sie mußte lernen, eine reife Frau zu sein.
Als Robert de Beauchamp die Tür öffnete, fiel Prinz Lionel förmlich herein. Nach all dem, was er heute abend gebechert hatte, war die Treppe zu viel gewesen für seine
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