Rosentraeume
Eine andere Geschichte behauptet, daß sich eine junge Frau hier ertränkt hat, als ihr Geliebter sie verschmähte.«
Joan erschauerte. »Wie schrecklich. Dabei ist es so schön hier.« Sie fragte Glynis: »Was ist mit dem Glück, und vergiß nicht, auch von der Leidenschaft zu erzählen!«
Glynis antwortete: »Dies ist ganz sicher ein Ort, wo Verliebte sich ein Stelldichein gegeben haben.«
»Wie wunderschön«, meinte Joan verträumt und erinnerte sich an einen anderen See in einem anderen Wald.
Adele lachte. »Die Legende sagt, wenn eine Frau in diesem kristallklaren See nackt badet, wird sie das Gesicht ihres zukünftigen Ehemannes sehen.«
Brianna protestierte: »Von so einer Geschichte habe ich nie gehört!«
Adeles Augen blitzten. »Du warst damals ja auch noch ein Kind. Als wenn wir in deinem Beisein von solchen Dingen gesprochen hätten.«
Joan kicherte fröhlich. »Du hast es ausprobiert, nicht wahr?«
Adele wurde über und über rot. »Mit meiner Schwester... Das war aber natürlich, bevor sie deinen Vater geheiratet hat.«
»Oh, erzähl uns, was passiert ist, Adele«, drängte Joan.
»Ich habe kein Gesicht gesehen, aber Rhianna behauptete, das Gesicht von Sir Brian erblickt zu haben.«
»Oh«, rief Joan, »dein Name, Brianna, ist eine Mischung von Rhianna und Brian, wie romantisch!«
Während Adele und Glynis zum Ufer gingen, flüsterte Joan Brianna zu: »Ich wette, Adele wünscht sich etwas mit Paddy, und Glynis denkt an Ali.«
»Paddy und Ali? Diese beiden verflixten Kerle. Ich denke an sie immer als an Ungeziefer und Pestilenz!«
»Wobei der Ire natürlich das Ungeziefer ist«, neckte Joan sie, und ihr glockenhelles Lachen schallte über den See. Brianna warf als letzte ihre Münze ins Wasser. Als die Wasseroberfläche sich kräuselte, erschien ein dunkles Gesicht. Ihr Herz hüpfte vor Freude in ihrer Brust. Hatte sie sich gewünscht, das Gesicht des arabischen Ritters zu sehen? Ihre Gefühle waren in Aufruhr. Warum konnte sie sich nicht mit Robert de Beauchamp zufriedengeben? Die kleine Stimme flüsterte ihr zu: Das Herz will das haben, was ihm zusteht.
Als die Damen zum Schloß zurückritten, waren alle wieder
gute Freundinnen, so wie vor dem Mißverständnis zwischen Joan und Brianna. »Deine Eltern konnten sich glücklich schätzen, weil sie aus Liebe heiraten durften«, meinte Joan sehnsüchtig.
Leise fragte Brianna: »Was ist das für ein Gefühl, wenn man liebt?«
»Es ist der Himmel... und die Hölle«, antwortete Joan und seufzte verlangend auf. »Sein Gesicht steht immer vor dir. Er erfüllt all deine Gedanken bei Tag, und jede Nacht erscheint er in deinen Träumen. Die Sehnsucht, beieinander zu sein, ist so groß, daß man sie nicht unterdrücken kann. Die Liebe ist so herrlich und mächtig, daß sie alle Schranken überwindet. Du weißt, es wird die Hölle, von ihm getrennt zu werden, aber es wäre noch viel unerträglicher, wenn du keine Erinnerungen hättest, von denen du zehren kannst.« Joan wurde über und über rot. »Ich weiß, du hältst meine Liebe zu Edward für dumm; aber ich gebe mich damit zufrieden, was mir geschenkt wird. Er hat mich zur Frau gemacht, und ich bedaure es nicht.«
In diesem Augenblick fand Brianna ihre Freundin gar nicht dumm, sondern äußerst mutig.
Es war nicht mehr weit bis zum Schloß, sie hatten also noch genug Zeit vor dem Abendessen.
Als sie die Treppe hinaufgestiegen waren, keuchte Adele erschrocken auf, als sie sah, wie das Frettchen auf Clancy zurannte. Der alte Kater, der sich gerade putzte, hielt in seiner Arbeit inne, hob eine Pfote und schlug das Frettchen damit auf die Nase. Gnasher setzte sich schnell auf die Hinterpfoten, dann kauerte er sich ergeben vor das arrogante Katzenvieh, das schon seit beinahe einem Jahrzehnt dieses Schloß beherrschte. Adele lachte erleichtert auf.
»Auftreten ist alles«, meinte Brianna. »Der alte Clancy hat wahrscheinlich nur noch einen Zahn, aber das weiß das Frettchen nicht.«
Adele nahm den Kater auf den Arm. »Ich werde mir etwas Eleganteres anziehen, ehe ich in die Halle hinuntergehe.«
Joan blinzelte Brianna zu, denn das war ein weiterer Beweis, * daß Adele eine bestimmte Aufmerksamkeit zu erregen trachtete. »Wir wollen uns heute abend alle elegant anziehen«, schlug Joan* vor, und auch Glynis war sofort einverstanden.
»Was wählst du, Brianna?« fragte Joan, als sie in ihre Zimmer gingen. Adele hob das Spitzengewand vom Boden auf, wo es seit heute morgen gelegen hatte. »Was ist
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