Rosenwahn
als es an der Tür klingelte. Allerdings fragte er sich, wer das jetzt wohl sein könnte und stand erstaunt seiner Nachbarin mit ihrem Korb gegenüber.
»Hallo, Georg! Eigentlich wollte ich schon viel früher vorbeikommen und dir was zum Abendessen rüberbringen. Jetzt hast du bestimmt schon gegessen, oder? Ich musste aber erst einmal meinen Auftrag ausliefern, was sich ein bisschen hingezogen hat. Darf ich?«
Und ehe er antworten konnte, schob sich Derya an ihm vorbei in Richtung Küche und begann ihren Korb auszuräumen. »Na ja, nicht so schlimm. Ein bisschen naschen magst du bestimmt noch. Außerdem halten sich die Sachen auch bis morgen.« Sie strahlte ihn an. »Hast du Lust auf ein Glas Wein?«
»Entschuldige, ich habe Besuch …«
Erst jetzt bekam Derya mit, dass Leute auf der Terrasse saßen. »Oh Gott, das tut mir leid. Das ist mir jetzt wirklich sehr unangenehm! Wenn ich das gewusst hätte – ich bin gleich wieder verschwunden.«
Es entging Georg nicht, dass Derya neugierig den Hals reckte, um einen Blick auf seine Gäste zu erhaschen. Aber er hatte nicht die geringste Lust, seine Nachbarin zu der Runde zu bitten.
»Das sind alte Freunde von mir. Astrid und Martin«, sagte er schnell. Es war nicht der Moment, Derya zu erklären, dass es seine Frau war, die da mit einem anderen Mann zu ihm zum Essen gekommen war.
»Okay, ich bin schon wieder weg. Schönen Abend noch!«
»Danke gleichfalls.«
»Dann vielleicht bis morgen?«
»Ja, vielleicht bis morgen«, nickte Georg unkonzentriert und schloss die Haustür hinter ihr.
»Damenbesuch? Um diese Uhrzeit?« Martin hob neckisch drohend seinen Finger, als Angermüller wieder zurück an den Tisch kam. »Georg, du Schwerenöter!«
»Das war nur Derya, meine Nachbarin.«
»Ihr scheint ja recht schnell bekannt geworden zu sein, wenn ihr euch schon duzt«, meinte Astrid. Es klang ein wenig spitz.
Das also war ihr nicht entgangen. Sie saß mit dem Rücken zur Tür und schien ihm und Derya aufmerksam zugehört zu haben.
»Was ist das eigentlich für ein Name, Derya?«
»Ein türkischer. Derya ist in Istanbul geboren.«
»Eine Türkin? Trägt sie ein Kopftuch?«
Er schüttelte unwillig den Kopf. Manchmal stand Astrid der Kleinkariertheit ihrer Mutter wirklich in nichts nach. Das passte gar nicht zu ihr. Eigentlich war sie doch eine weltoffene Frau mit wachem Geist, wie sonst hätte sie sich in ihrem Beruf für die vielen armen Teufel von Asylbewerbern engagieren können? Oder sollte hinter dieser herablassenden Frage vielleicht etwas ganz anderes stecken? Eifersucht vielleicht?
»Quatsch. Derya ist eine moderne Frau. Sie ist Schauspielerin und genauso viel Deutsche wie Türkin.«
»Schauspielerin?«
Auch die Art, wie Astrid dieses Wort quasi mit spitzen Fingern aussprach, hätte durchaus zu seiner Schwiegermutter Johanna gepasst. Täuschte er sich oder wurde Astrid ihrer Mutter wirklich immer ähnlicher? Irgendwie plätscherte die Unterhaltung noch eine Weile so dahin, und als Astrid sagte, sie wolle jetzt nach Hause, sie sei müde, hielt Georg sie nicht auf. Sie lösten die Runde auf und verabschiedeten sich. Astrid bot Martin an, ihn mit dem Auto nach Hause zu fahren.
»Ach, Georg«, sagte sie dann noch, als sie schon aus der Tür war, »bitte vergiss nicht, dass wir am Sonntag zum Kaffeetrinken bei meinen Eltern eingeladen sind. Soll ich dich abholen?«
Er nickte, wenig begeistert. Auf dieses Kaffeetrinken bei seinen Schwiegereltern hätte er gern verzichten können. Aber das hätte Astrid mit Sicherheit wenig gefallen. Bestimmt wollte sie ihn nur abholen, um mit ihm gewisse Sprachregelungen abzustimmen, damit die Familie nicht einen falschen Eindruck bekäme. Irgendwie hatte sie sich wirklich verändert oder waren ihm ihre biederen Züge früher nur nicht so aufgefallen?
Nachdem er alles aufgeräumt hatte, setzte sich Georg noch mit einem Glas Wein auf die Terrasse. So lange war es noch gar nicht her, dass er hier in diesem Haus Elizabeth kennengelernt hatte, die Schwester von David. Die charmante Engländerin hatte ihn tief beeindruckt mit ihrem Witz und ihrer Nonchalance, doch damals hatte er seine Gefühle als irrationale Schwärmerei abgetan, mag sein, er hatte auch nur Angst vor den Konsequenzen gehabt. Wenig später, bei einem Besuch in London, zu dem ihn Steffen und David eingeladen hatten, wäre er vielleicht zu einer Entscheidung bereit gewesen. Doch da war seine schöne Illusion sogleich zerstoben – Elizabeth hatte jemanden
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