Rosenwahn
geworden ist.«
»Schwamm drüber! Jetzt bist du ja da. Zum Wohl!«
»Ja, zum Wohl! Also, wir hatten mal wieder eine Krisensitzung zum Thema Finanzen. Das Land hat ja schon vor einiger Zeit seine Zuschüsse gekürzt und jetzt drohen uns auch noch Gelder der Stadt verloren zu gehen. Du kannst dir vorstellen, wie die Stimmung bei uns ist!«
Georg nickte. Astrid war Sozialpädagogin und arbeitete in einer Beratungsstelle für Asylbewerber. Sie war sehr engagiert und liebte ihre Tätigkeit. Seit sie vor einem Jahr wieder angefangen hatte, mehr Stunden zu arbeiten, hatten sich gewisse Schwierigkeiten im Familienalltag im Hause Angermüller eingestellt. Die waren zumindest nach Astrids Interpretation der Auslöser für die sich häufenden Auseinandersetzungen und Diskussionen.
»Wie gesagt, wir sind alle ganz schön unter Druck. Martin hat sich mit der Frau von der Stadtverwaltung angelegt und sich ungeheuer aufgeregt. Hinterher war er nur noch deprimiert und da …«
»Jetzt sag nicht, du hast ihn hierher zum Essen eingeladen?«, fragte Georg, nichts Gutes ahnend.
Astrid warf ihm einen unsicheren Blick zu. »Ich habe einfach gedacht, das wäre jetzt irgendwie nicht gut, wenn er heute Abend allein zu Hause hockt …«
»Ich hatte mich so auf den Abend mit dir gefreut.«
Die Enttäuschung hinter seinen Worten war nicht zu überhören und Astrid griff nach Georgs Hand. »Das tut mir leid, Schatz«, sagte sie leise. »Ich wusste nicht, dass dir das so wichtig ist, ich …«, sie unterbrach sich und sah ihren Mann an. »Bitte entschuldige – wir holen das nach, ja?«
Statt einer Antwort hob er nur resigniert die Schultern. Tat es ihr wirklich leid um den verlorenen Abend zu zweit? Es klingelte.
»Das wird Martin sein. Du hast doch nicht wirklich was dagegen, dass er mit uns isst, oder?« Sie sah Georg fragend an. Als der nur stumm den Kopf schüttelte, lächelte sie schelmisch. »So, wie ich dich kenne, reicht das Essen ja sowieso für drei.«
Als ob das das Problem gewesen wäre, dachte Georg.
Wunderbar hatte sich das Aroma von Thymian und Zitrone mit dem des saftigen Hühnchens verbunden. Der zarte Kopfsalat und die Knoblauchmayonnaise ergänzten es perfekt. Martin schien es bestens zu munden, und auch seinen harten Arbeitstag hatte er wohl ziemlich schnell verdrängen können. Gut gelaunt langte er mit großem Appetit zu, schluckte reichlich von Georgs Rotwein und begann schon wieder seine Schnurren aus dem Seglermilieu zum Besten zu geben. Astrid, die am Wein nur genippt hatte, jetzt nur noch Mineralwasser trank und als eher zurückhaltend bekannt war, kicherte manchmal wie ein Schulmädchen.
Georg fühlte sich plötzlich satt. Nach ein paar Bissen legte er sein Besteck zur Seite und sah zu, wie sich Martin dicke Stücke Thymianhuhn mit Mayonnaise in den Mund schob. Ärger schnürte ihm den Magen zu. Was hatte Astrid sich bloß dabei gedacht, ihren Kollegen ausgerechnet heute Abend hierher einzuladen? Aber das war ja nichts Neues. Von Anfang an, seit Martin vor einem Jahr zu ihrem Asylhilfe-Projekt gestoßen war, hatte sie ihn zu allen möglichen Gelegenheiten mitgebracht oder eingeladen, wie familiär oder intim die auch immer sein mochten. Dass sie es heute wieder gemacht hatte, fand er absolut gedankenlos und konnte es nur als Gleichgültigkeit gegenüber seiner Person interpretieren.
Schon lange hatte er sich nicht mehr so zurückgesetzt gefühlt. Hatte Astrid denn überhaupt kein Interesse mehr an einem Abend mit ihm allein? Sah sie nicht die Chance, die sich ihnen bot? Oder war es nur gekränkte Eitelkeit, die ihn jetzt übertrieben reagieren ließ? Nach außen war Georg nichts anzumerken. Als Astrid erstaunt fragte, warum er heute so wenig essen wollte, meinte er nur, vorher wohl zu viel von Brot und Öl genommen zu haben, was sie mit einem zustimmenden Nicken quittierte. Martin schien von alledem nichts mitzubekommen, redete und redete und lud Astrid für das kommende Wochenende mal wieder auf sein Schiff zum Segeln ein.
»Kannst ja auch mitkommen, Georg. Platz ist mehr als genug für drei auf meinem Kahn.«
Armleuchter! Martin wusste ganz genau, dass Georg seekrank wurde, wenn er nur an eine Bootspartie dachte, und genauso gut wusste er, dass Astrid, die seit ihrer Kindheit schon diesem verdammten Segelhobby frönte, sein Angebot ganz bestimmt nicht ausschlagen würde. »Danke für die tolle Einladung! Aber ich denke, ich genieß das schöne Wetter lieber an Land.«
Es kam ihm ganz recht,
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