Rosenwahn
doch kein Ding«, wehrte Ruben ab und blieb unschlüssig neben der Runde stehen.
»Jetzt setz dich doch«, sagte Ronald zu seinem Sohn. »Du bist doch bestimmt wegen einer Tasse Kaffee gekommen – du hast Glück: Derya hat den köstlichsten Käsekuchen mitgebracht, den du je gegessen hast. Ich bring dir noch einen Teller und du kannst loslegen.«
Und er ging ins Haus, ein weiteres Gedeck holen. Geduldig antwortete Ruben auf die vielen Fragen, die ihm Derya stellte, doch es war ihm anzumerken, dass große Reden nicht seine Sache waren. Friede fuhr ihm amüsiert mit der Hand über die blonden Locken, was er mit einer unwilligen Kopfbewegung quittierte.
»Ach Ruben, warum bist du nur so ein Schweiger?«, meinte sie vergnügt. »Von mir hast du das nicht.«
Georg schätzte den jungen Mann auf Mitte 20. Er fand ihn ganz sympathisch und konnte verstehen, dass er sich nicht vor anderen Leuten produzieren wollte. Ihm selbst hatte so ein Vorführen auch nie gefallen. Ruben vertilgte in kürzester Zeit drei Stück Kuchen, trank zwei große Becher Kaffee und verabschiedete sich dann wieder.
»Unser Großer ist etwas wortkarg und Lob mag er gar nicht. Er hat diesen Garten wirklich fast allein angelegt«, erzählte Friede, als Ruben gegangen war. »Er ist ein großes gestalterisches Talent, hat ein angeborenes Gefühl für Farben und Formen und schafft es spielend, seine ästhetischen Vorstellungen in die praktische Anlage eines Gartens umzusetzen.«
»Studiert er nicht irgendwas wie Gartenbau oder so?«, wollte Derya wissen.
»Ruben hat einen Abschluss als Landschaftsarchitekt, aber trotzdem arbeitet er immer noch in dem Gartenbaubetrieb, in dem er vor Jahren sein erstes Praktikum gemacht hat. Er hätte wirklich was Besseres verdient, aber er scheint sich damit begnügen zu wollen.« Friede lachte kurz auf und strich sich eine Strähne aus dem Gesicht. Sie hatte die gleiche lockige Mähne wie ihr Sohn, nur war bei ihr das Blond zum Teil bereits in Silbergrau übergegangen. »Ist natürlich auch bequem, noch zu Hause im Hotel Papa zu wohnen, und billiger. Aber ich glaube, es hätte ihm gereicht, Gärtner zu werden, wenn ihn nicht seine ehrgeizigen Eltern zum Abitur gezwungen hätten.«
»Seine ehrgeizige Mutter, wolltest du wohl sagen«, warf Ronald ein und lächelte fein, aber Friede ließ sich nicht unterbrechen.
»Um also die Frage nach der Entstehung dieses Gartens endgültig zu beantworten: Ruben, unser Genie, ist zuständig für die künstlerische Gestaltung und Bepflanzung, und Ronald für den Rest – ob Wege pflastern, Rosenbögen bauen oder Terrassenpodeste zimmern – mein Mann ist ein begnadeter Haus- und Hofhandwerker, nicht, Schatz?«, meinte Friede zu ihrem Mann gewandt und griff nach seiner Hand.
»Tja, die Axt im Haus …«, kommentierte Ronald selbstironisch, führte Friedes Hand an seinen Mund und küsste sie. Dann stand er auf und begann den Tisch abzuräumen.
»Aber Derya, jetzt erzähl mal, wie geht’s dir eigentlich? Was macht das Geschäft? Und wie geht’s Koray?«, erkundigte sich Friede.
»Ach, es läuft alles ganz gut bei mir. Hin und wieder schlägt bei Koray noch die Pubertät durch, aber im Großen und Ganzen ist er okay.«
»Georg, hast du vielleicht Lust, dir das Haus einmal anzuschauen?«, fragte Ronald, als er das letzte Tablett mit Geschirr nach drinnen tragen wollte. »Derya kennt es ja schon, und dann können die beiden Weibslüt allein ’n büschen klönen.«
»Gern«, sagte Georg, erhob sich und Derya nickte.
»Das ist gut, ich hab tatsächlich was auf dem Herzen, das ich mit Friede besprechen wollte.«
Als Friede und Ronald ihre Gäste zu ihrem Wagen begleiteten, kamen zwei junge Leute in schnellem Tempo mit Fahrrädern auf den Hof gefahren.
»Na bitte, jetzt seht ihr auch noch den Rest der Familie. Da kommen gerade Rebekka und ihr neuer Freund«, meinte Friede. Auch Rebekka war groß und schlank, und mit ihren langen blonden Locken ausgesprochen hübsch. Sie schien über ebensoviel Charme wie Selbstbewusstsein zu verfügen und hatte den jungen Mann an ihrer Seite voll im Griff. Es gab ein kurzes, lautes Hallo zur Begrüßung und dann trieb sie ihren Begleiter zur Eile. Schon waren die beiden wieder verschwunden.
»Mensch, Rebekka sieht ihrem Bruder ja sehr ähnlich!«, bemerkte Derya.
»Gut beobachtet. Aber ich sage dir, ich kenne kaum zwei unterschiedlichere Charaktere als meine beiden Kinder«, lachte Friede. »Wenn Ruben ein Schweiger ist, dann ist Rebekka
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