Rosenwahn
würde.
Über dem Duft des Kaffees, der aus Leo Panknins Tasse aufstieg, lag der merkwürdige Geruch nach Reinigungs- oder Desinfektionsmittel, den der Kommissar gleich unten am Eingang wahrgenommen hatte. Krankenhausgeruch eben.
»Ach, so wichtig ist mein Job nicht«, erklärte Leo fast schüchtern. Er hatte zwar nichts davon erwähnt, aber es war offensichtlich, dass er die Beamten tatsächlich schon erwartet hatte. »Ich bin hier nur so eine Art Mädchen für alles, auch wenn ich einen weißen Kittel anhabe. Mit meinem Studium bin ich noch lange nicht fertig. Ich mach auf dieser Station nur eine Famulatur für zwei Monate.«
»Ah ja.« Angermüller studierte die weichen, irgendwie noch unfertigen Gesichtszüge unter den brav nach hinten gekämmten, weißblonden Haaren, die Leo wesentlich jünger als 22 erscheinen ließen. Angespannt und aufmerksam wie ein Prüfling saß er auf der Kante seines Stuhles. »Herr Panknin, sagt Ihnen der Name Meral Durgut etwas?«
Auch wenn der Junge auf das Erscheinen der Polizei vorbereitet war, diese Frage hatte er wohl nicht erwartet. Nervös gab er drei Löffel Zucker in seine Tasse und hörte nicht auf umzurühren. Es war offenkundig, dass er seine Antwort genau abwog.
»Ja, ich kannte mal eine Meral Durgut. Warum fragen Sie mich danach?«, reagierte er dann zögernd, während er Angermüller und Jansen einen unsicheren Blick zuwarf.
»Wir würden gern mehr erfahren über die Zeit vor Merals Verschwinden, und Sie hatten doch eine Beziehung zu dem Mädchen?«
Der Befragte bemühte sich um ein gleichgültiges Gesicht. »Beziehung? Ich war da wohl mal kurz verliebt in Meral.« Er probierte ein ironisches Lächeln, was eine gewisse Blasiertheit hinter seinem gehemmten Auftreten durchschimmern ließ. »Kinderkram«, setzte er noch abfällig hinzu.
»Wann war das?«
»Ich glaube, das war in dem Jahr, in dem ich Abi gemacht habe. Ja, das ist jetzt etwas über drei Jahre her.«
»Erwiderte das Mädchen denn Ihre Gefühle?«
Leo sah zu Boden und Angermüller bemerkte, dass eine sanfte Röte seine Wangen überzog.
»Irgendwie haben wir uns ganz gut verstanden«, stellte der junge Mann leichthin fest.
»Ihre Beziehung hat nicht sehr lange gedauert, oder?«
»Meral hatte sehr strenge Eltern. Ich glaube, das war der Grund, dass sie so plötzlich Schluss gemacht hat. Sie hat mir nicht gesagt, warum.«
»Und das haben Sie einfach so akzeptiert?«, fragte Jansen zweifelnd.
»War doch kein Ding. Sie wollte mich nicht mehr sehen, und ich war damals auch mit anderen Dingen ziemlich beschäftigt.« Er machte eine Pause und nahm einen Schluck Kaffee. Prompt verschluckte er sich und begann zu husten. »Entschuldigen Sie bitte«, begann er noch einmal und gab sich Mühe, völlig gelassen zu wirken. »Ich steckte mitten in den Vorbereitungen für mein Abi und hatte für so was Pubertäres wie Liebeskummer gar keine Zeit. Meine Eltern waren auch sehr froh darüber.«
»Worüber?«, hakte Angermüller nach. »Dass mit Meral Schluss war?«
Leo nickte.
»Hatten Ihre Eltern denn etwas gegen Ihre Beziehung zu Meral Durgut?«, fragte der Kriminalhauptkommissar interessiert.
»Sie fanden, sie passte nicht zu mir«, sagte Leo knapp.
»Warum? Weil sie Deutsch-Türkin ist?«
»Ich weiß nicht. Vielleicht.«
Die Frage war dem Medizinstudenten offensichtlich nicht angenehm. Plötzlich sah er die Beamten an und erkundigte sich barsch: »Wieso kommen Sie eigentlich hierher und fragen mich nach dieser alten Geschichte? Ist Meral wieder aufgetaucht?«
»In gewisser Weise ja«, bestätigte Angermüller und blickte sein Gegenüber ernst an. »Ihre vergrabenen Überreste wurden auf einem Grundstück am Rande Eutins gefunden.«
»Was? Oh mein Gott!«, stieß der junge Mann hervor und wurde blass. »Das ist ja entsetzlich!«
Seine zur Schau getragene Gleichgültigkeit war verschwunden und Röte schoss ihm ins Gesicht. Selbst wenn er gewollt hätte, unter seiner hellen Haut wäre es unmöglich gewesen, solche Reaktionen verborgen zu halten. War es Merals Tod oder dass man ihre Überreste entdeckt hatte, was ihn so schockierte?
»Und was wollen Sie jetzt ausgerechnet von mir?«, fragte Leo Panknin nach einem Moment der Starre. Jetzt wirkte er völlig verunsichert. Kurz schien es Angermüller, als wäre er nahe daran, in Tränen auszubrechen.
»Wie eingangs schon gesagt, wir versuchen nur, uns ein Bild von den letzten Wochen zu machen, bevor Meral damals verschwunden ist«, erklärte Angermüller.
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