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Rosenwahn

Titel: Rosenwahn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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auffüllen ließ.
    »Schmeckt dir unsere Löwenmilch?«, fragte Bilhan freundlich.
    Georg nickte beeindruckt. »Genau das Richtige für so einen warmen Abend.«
    Im Gegensatz zu ihrer Schwester war Bilhan die türkische Herkunft immer noch deutlich an ihrem Akzent anzuhören. Allerdings redete sie lange nicht so viel wie Derya. Ihre Kleidung – Rock und leichte Bluse – war von unauffälliger Korrektheit. Vielleicht war das ihrem Leitungsjob in der Schulverwaltung und ihrem Engagement in einer Partei geschuldet, dachte Angermüller. Bilhan war nicht nur eine mutige Kämpferin für die Rechte von Migrantinnen, sie würde auch gern die erste Türkin in der Bürgerschaft werden, hatte Derya ihm erzählt.
    »Na dann. Ş erefe! «, prostete Bilhan ihm zu.
    » Ş erefe! «, ging es Georg schon ganz leicht von der Zunge. Sie redeten und aßen und tranken und plötzlich wehten orientalische Klänge durch den Raum. Derya stand in der Tür, hob die Arme und begann sanft ihre Hüften zu bewegen.
    »Oh, Nazan Öncel!«, rief Alina, sprang auf und zog Bilhan mit. »Bei dieser Musik kann doch niemand sitzen bleiben!«
    Koray warf einen erschrockenen Blick auf die drei Frauen, die sich gekonnt zum Rhythmus der Musik bewegten, und ergriff die Flucht. Das war dem jungen Mann dann doch zu viel. Plötzlich kamen die drei Tänzerinnen mit auffordernden Bewegungen auf Angermüller zu, der sich in diesem Moment viel lieber Koray angeschlossen hätte. Auch wenn Georg das Gefühl hatte, neben den Frauen wie ein ungelenker Baumstamm zu wirken, spendeten diese ihm begeisterten Beifall und versicherten, er sei wirklich begabt für türkischen Tanz. So ging es noch eine ganze Weile. Die Frauen tanzten mit verzückten Gesichtern und sangen laut die Texte mit. Auch Angermüller fand Gefallen an der Mischung aus Popmusik und fremdartigen Trommelrhythmen und dem Gesang, der in seinen Ohren irgendwie sehnsüchtig klang und von dem er kein Wort verstand.
    »Kaffee zum Helva ?«, fragte Derya, die sich unauffällig in die Küche zurückgezogen hatte und nun mit einer Platte der frisch zubereiteten Süßigkeit vor ihren Gästen stand, die erschöpft wieder auf ihren Plätzen saßen. Bald darauf kam sie aus der Küche zurück und kredenzte ihnen türkischen Mokka in zierlichen Tässchen. Beim Helva , einer Mischung aus Gries, Zucker, Milch und Butter, vermischt mit Pinienkernen, wurde auch Alina schwach und vergaß die sonstige Zurückhaltung beim Essen.
    »Bilhan, bitte! Kaffeesatz!«, bettelte sie, als sie ihren Mokka ausgetrunken hatte, und hielt der Angesprochenen ihre Tasse hin.
    »Ach ja, Bilhan! Bitte, bitte!«, rief auch Derya.
    Nach kurzem Zögern setzte sich Deryas Schwester auf und bat um Ruhe. Sie deckte den Unterteller über Alinas Mokkatasse und drehte sie mit einem Schwung um. Dann zog sie die Tasse langsam hoch und schaute konzentriert auf den dunklen Fleck, der sich auf dem Tellerchen ausbreitete. »Ein Boot, das sieht aus wie ein Boot, und da ist ein Mann.«
    »Meiner?«, fragte Alina gespannt.
    »Kann ich nicht erkennen«, bedauerte Bilhan.
    »Vielleicht ein Urlaubsflirt?«, meinte Derya zu Alina.
    »Ja, vielleicht«, nickte diese lebhaft. »Wir wollen im Sommer wieder im Mittelmeer segeln, und schon beim letzten Mal hatten wir so einen ausgesprochen gut aussehenden Skipper.«
    Alina schien mit Bilhans Deutung sehr zufrieden. Bei Derya konnten sie sich nicht einigen, ob gute Geschäfte oder ein Gewinn in einer Lotterie ins Haus standen.
    »Aber ich spiel doch gar nicht!«, protestierte Derya.
    »Na, dann musst du eben mal!«
    Und Georg wurde eine hübsche Frau vorausgesagt, was die Damen höchst amüsiert kommentierten – wieder auf Türkisch – und sich dabei vor Lachen kaum unter Kontrolle bekamen. Natürlich konnte Georg nicht verstehen, was sie sagten, aber aus ihrer Mimik und Gestik begann er plötzlich etwas zu ahnen. Und er nahm sich vor, ab jetzt genauer darauf zu achten.
    Sie tranken nun alle wieder Rakı , und Georg spürte, dass der süffige Traubenbrand mit dem Aroma von Anissamen nicht nur schmeckte, sondern ihm auch langsam zu Kopf stieg. Als die Gespräche begannen, sich um Schönheitsoperationen zu drehen, schaute Georg verstohlen auf die Uhr. Das war ein Thema vollkommen außerhalb seines Interessenbereiches. Schließlich musste er morgen früh wieder zum Dienst. Für Alina, die sich das dank ihres Mannes leisten konnte, schienen Schönheitsoperationen eine völlig normale Maßnahme, um gegen unerwünschte

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