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Rosenwahn

Titel: Rosenwahn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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Backen noch frische Schafskäsestückchen und Pinienkerne darauf oder eine gehackte Chilischote, damit es richtig schön scharf wurde. Manchmal nahm er frische Tomaten, Gurke und Eissalat und rollte den Fladen zu einem Dürüm zusammen, wie er mit Kennerblick sagte.
    Er sprach besser Deutsch als Türkisch, und er sprach es ohne einen Akzent. Es war Derya immer wichtig gewesen, dass Koray einwandfrei die deutsche Sprache beherrscht. Lübeck war ihre und seine Heimat, und da fand sie das einfach nur normal. Aber sein Türkisch war auch nicht schlecht, und sobald er sich ein paar Tage in der Türkei aufhielt, sprach er es richtig gut. Sie hatte sich natürlich genauso bemüht, dass er ein Bewusstsein für seine türkischen Wurzeln entwickelte, denn sie fand, dass dieses Leben mit zwei Kulturen etwas ganz Besonderes und ein beneidenswerter Reichtum war.
    Zum Nachtisch aßen sie frische Erdbeeren, ohne Zucker oder eine andere Zutat. Wie bei ihren Eltern früher, gab es auch bei Derya immer viel frisches Obst, das war ein Muss in einem türkischen Haushalt. Manchmal dachte sie mit Wehmut an die Auswahl und die Qualität mancher Früchte, wie sie in Istanbul auf den riesigen, bunten Märkten angeboten wurden. Aprikosen, Feigen, rote Pfirsiche, wie sie hier nie welche gefunden hatte. Der Kauf einer wirklich essreifen Melone war in Deutschland immer ein Risiko – und wer kannte hier schon Mispeln oder Maulbeeren?
    Derya holte sich ein Blatt Papier, um Ideen für den Auftrag am Freitag zu sammeln, und setzte als Erstes gleich Lahmacun darauf. Die türkische Pizza, auf die Größe eines Handtellers verkleinert und aufeinandergestapelt, machte sich immer gut bei einem Büffet. Koray hatte geholfen, den Tisch abzuräumen, und sich dann in sein Zimmer verkrümelt. Was für einen Nachtisch sollte sie vorschlagen? Mindestens zwei sollten schon zur Auswahl stehen, dachte sie, aber nichts Italienisches! Schon lange war ja die italienische Küche bei den Leuten hier sehr beliebt. Jeder kannte inzwischen Tiramisu und Panna Cotta. Derya konnte das Zeug, das so oft von ihren Kunden verlangt wurde, langsam nicht mehr sehen. Oh ja, sie würde Ke ş kül vorschlagen, ein mildsüßes, türkisches Mandeldessert, das wäre mal etwas anderes. Irgendwie konnte sie sich nicht so recht auf die Komposition kulinarischer Köstlichkeiten konzentrieren. Sie schielte aus dem Fenster. Immer wieder dachte sie an Gül und dass heute schließlich schon Mittwoch war. Ob Georg wohl zu Hause war? Schließlich beschloss sie, einfach mal bei ihm vorbeizuschauen, griff sich eine Flasche Wein und ging los.
    Erst einmal passierte gar nichts, als sie drüben am Nachbarhaus klingelte. Sie drückte noch einmal auf die Klingel und hörte dann Stimmen hinter der Haustür. Mist, jetzt hat Georg Besuch, ärgerte sie sich über sich selbst. Wie unangenehm, dass ich hier schon wieder einfach so reinplatze, aber zum Rückzug ist es jetzt zu spät. Die Tür wurde geöffnet und Derya sah sich einem blonden Mädchen in Shorts und einem türkisfarbenen Top gegenüber.
    »Oh hallo«, sagte sie etwas erstaunt, »ich wollte eigentlich zu Georg …«
    Ein zweites Mädchen tauchte in der Türöffnung auf und warf neugierige Blicke auf sie. Es sah fast genauso aus wie das andere, nur dass es ein pinkfarbenes Top trug.
    »Ich bin eine Nachbarin, ich heiße Derya. Wie gesagt, ich wollte zu Georg.«
    »Hallo«, sagte das erste Mädchen, schaute sie aus großen Augen an und rief: »Papi! Da ist jemand für dich. Kommst du mal?«
    Aus dem Hintergrund tauchte Georg auf. Er trug eine Schürze und hatte einen Fleischklopfer in der Hand. »Ach Derya, hallo! Was gibt’s?«, begrüßte er sie und sah etwas betreten dabei aus. Kurz herrschte Schweigen – peinliches Schweigen, wie Derya fand. Sie war so überrascht, dass ihr in dem Moment sogar der Grund ihres Hierseins entfiel. Dann fingen sie beide gleichzeitig an zu reden und albern zu lachen, aufmerksam beäugt von den danebenstehenden Mädchen. Schließlich sagte Georg betont gut gelaunt: »Darf ich vorstellen, Kinder: Das ist Derya, Steffens Nachbarin. Die wohnt gleich nebenan, und ich hab sie inzwischen auch schon kennengelernt.«
    Derya spürte, wie die beiden Mädchen zwischen ihr und Georg argwöhnisch hin und her blickten.
    »Derya, das sind Julia und Judith, meine beiden Töchter. Sie sind vorhin gerade von einer Klassenfahrt zurückgekommen. Jetzt machen wir Schnitzel und Pommes, das haben sie sich gewünscht. Und zum Nachtisch

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