Rosenwahn
zierlichen Geschirr serviert, brachte jetzt noch eine Silberschale mit Gebäck und zog sich dann diskret zurück. Dass es so etwas noch gibt, stellte Angermüller verwundert fest. Natürlich war man über das Erscheinen der Beamten nicht erfreut.
»Ihr Sohn wird Ihnen von unserem Gespräch heute Morgen ja erzählt haben, nehme ich an«, begann der Kriminalhauptkommissar. Weder ihm noch Jansen war einer der freien Stühle angeboten worden. Der Junge nickte und wollte etwas sagen, doch Panknin Senior schnitt ihm mit einer kurzen Handbewegung das Wort ab.
»Leo hat uns von Ihrem unglaublichen Verdacht schon berichtet. Das ist eine solche Ungeheuerlichkeit! Wie kommen Sie dazu, unseren Sohn wegen dieser Sache im Krankenhaus aufzusuchen? Wenn das den Kollegen zu Ohren kommt! So etwas grenzt an Rufschädigung!«
Ungerührt ließ Angermüller den aufgebrachten Vater sich ereifern und erwiderte dann ruhig: »Wenn ich klarstellen darf: Es hat zu keiner Zeit ein Verdacht gegen Ihren Sohn bestanden, sondern wir haben ihn nur als Zeugen im Fall einer getöteten, jungen Frau befragt, zu der er eine Beziehung hatte. Soweit ich das beurteilen kann, haben wir uns bei unserem Vorgehen exakt an die Dienstvorschriften gehalten.«
Der Hausherr, Prof. Dr. Alfred Panknin, war von massiger Statur, mit bereits weißen Haaren, der Typ braun gebrannter Bonvivant. Doch sein vom Leben und von der Sonne bereits von zahlreichen Falten gezeichnetes Gesicht zierten ein paar Narben, Spuren studentischen Verbindungslebens, wie Angermüller zu erkennen glaubte, die ihm etwas Rücksichtsloses verliehen. Aber auch ohne die war dem Mann sofort anzumerken, dass es nichts und niemanden gab, von dem er sich beeindrucken oder gar aufhalten ließ.
»Vielleicht sollten wir die Herren erst einmal fragen, was Sie jetzt schon wieder zu uns führt«, schlug höflich, aber ohne eine Spur von Freundlichkeit, Dr. Ruth Stresow-Panknin vor, die ihrem Mann beruhigend die Hand auf den Arm gelegt hatte. Wie er saß auch sie in ihrem weißen Arztkittel am Tisch, in vorbildlich aufrechter Haltung, und musterte kühl ihre unerwarteten Besucher. Der Junge hatte den Platz neben seiner Mutter inne, die mindestens 15 Jahre jünger als ihr Mann war und von der Leo wohl die blasse Haut und das weißblonde Haar geerbt hatte. Sein Gesichtsausdruck schwankte zwischen Unsicherheit und Herablassung, und Angermüller fragte sich, ob sich Leo durch die Anwesenheit seiner Eltern gestärkt fühlte oder ob sie eher der Grund für seine Unsicherheit waren.
»Ihr Name, Frau Panknin – das haben wir gerade festgestellt – befindet sich auf der Liste der Erbengemeinschaft eines Grundstücks in Eutin, auf dem die Überreste der toten Meral Durgut gefunden wurden«, platzte Jansen etwas überraschend heraus und erntete von Angermüller dafür sofort einen tadelnden Blick.
»Und deshalb kommen Sie hierher und stören einfach so unsere Privatsphäre?«, explodierte der Professor und wollte sofort wieder zu einer Tirade gegen die beiden Beamten ansetzen, doch seine Frau sagte scharf: »Bitte, Alfred«, was ihn sofort schweigen ließ, und wandte sich dann mit unbewegter Miene an Jansen: »Mein Name ist Dr. Stresow-Panknin, wenn ich bitten darf, Herr – wie war der Name noch?«
Natürlich hatten sie sich ordnungsgemäß mit Namen und Dienstgrad vorgestellt.
»Jansen, Kriminalkommissar Claus Jansen«, wiederholte der Angesprochene mit einem schiefen Grinsen.
»Also, Herr Kriminalkommissar Jansen, es ist korrekt, dass ich Mitglied dieser Erbengemeinschaft bin. Aber ich denke, das ist noch lange kein Grund, hier einfach so überfallartig aufzutauchen, oder?«
»Wie Sie gehört haben, Frau Dr. Stresow-Panknin, erwähnte mein Kollege soeben, dass wir just auf diesem Grundstück die sterblichen Überreste eines Mädchens gefunden haben, mit dem ihr Sohn nicht lange vor ihrem Verschwinden vor drei Jahren eine Beziehung hatte. Sie werden hoffentlich verstehen, dass wir dieser Verbindung nachgehen müssen.«
Natürlich gefiel ihr Angermüllers Erklärung keineswegs, aber die Frau war nicht dumm und wusste sich im Gegensatz zu ihrem Mann zusammenzunehmen. »Das Grundstück in Eutin gehörte der Tante meiner Mutter. Und da unsere Mutter verstorben ist, sind meine beiden Brüder und ich Teil der Erbengemeinschaft. Das ist korrekt. Vor fünf Jahren, nachdem wir von dem Testament erfahren hatten, sind wir einmal hingefahren, um uns Haus und Garten anzusehen. Leo war auch dabei. Das war das erste und
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