Rosskur: Ein Allgäu-Krimi
klingelte, ein kümmerliches Krächzen war hinter der Haustür zu hören, und sicherheitshalber drückte Hansen gleich noch einmal auf den Knopf.
Die Klingel war ein billiges Modell aus grauem Kunststoff, der Zettel mit der hingekritzelten Beschriftung »Pröbstl« war hinter dem transparenten Plastikfensterchen so ausgebleicht, dass die Schrift nur mit Mühe zu entziffern war.
Als auch auf das zweite Klingeln niemand reagierte, trat Hansen ein paar Schritte zurück. Pröbstl, ihr potenzieller Tatzeuge, lebte in einem heruntergekommenen kleinen Häuschen mitten in Lechbruck. Umgeben von teils prächtig renovierten Bauernhäusern schien sich Pröbstls Bleibe geradezu vor der Nachbarschaft zu ducken. Auf der einen Seite der Eingangstür befand sich ein verwildertes Gärtchen, umgeben von einem Holzzaun, der dringend mal wieder gestrichen werden musste. Auf der anderen Seite der Tür stand eine ebenso verwitterte Holzbank.
Hansen sah zum ersten Stock hinauf, aber weder dort noch im Erdgeschoss tat sich etwas hinter den kleinen Fenstern. Das windschiefe Häuschen sah auf eine Art romantisch aus, dass man es gerne von außen betrachtete – aber lieber nicht drinnen wohnen wollte.
Haffmeyer verschwand hinter der linken Hausecke, um sich dort umzusehen.
»Kommen Sie mal mit, Frau Fischer«, sagte Hansen und ging rechts am Haus vorbei nach hinten.
Eine mit Gras überwucherte Fahrspur führte in einen kleinen Hof, der vom Wohnhaus, einer kleinen Scheune und einem hölzernen Unterstand begrenzt wurde. Überall lagen Gerätschaften herum, von denen einige offenbar schon lange nicht mehr benutzt worden waren. Der Unterstand war voller Kartons. Hansen klappte einen davon auf. Muffiger Geruch von saurem Wein schlug ihm entgegen: Hier lagerte Pröbstl wohl sein Leergut.
Die Tür zur Scheune war nur angelehnt. Hansen zog sie ein wenig auf und rief leise: »Herr Pröbstl?« Keine Reaktion. Im Halbdunkel konnte er weitere Gerätschaften, ein Damenrad mit platten Reifen und einen alten Traktor ausmachen.
»Auto ist keines hier«, sagte Hanna Fischer. »Aber so, wie Willy diesen Pröbstl beschrieben hat, kann der ohnehin keinen Führerschein mehr haben.«
Hansen nickte und wandte sich wieder dem Wohnhaus zu. Eine Holztür mit Milchglasscheiben bildete den Hintereingang, die meisten Fenster waren geschlossen, nur im Erdgeschoss war eines gekippt. Hansen probierte die Türklinke herunterzudrücken – aber der Hintereingang war verschlossen.
Hanna Fischer hatte währenddessen das gekippte Fenster erreicht und winkte ihren Chef mit breitem Grinsen zu sich. Sie deutete nach drinnen – doch da hatte Hansen das kräftige Schnarchen schon bemerkt. Durch die verstaubte Fensterscheibe sahen sie eine Art Waschküche vor sich: einen gekachelten Raum mit einem großen Abfluss in der Mitte. Entlang einer der Mauern waren Kisten und Kartons gestapelt, die anscheinend Bier, Wein und andere Alkoholika enthielten.
Nicht weit davon entfernt saß ein verwahrlost wirkender Mann auf dem Boden. Er hatte die Beine von sich gestreckt, hielt in der rechten Hand eine fast leere Schnapsflasche und schnarchte nach Leibeskräften.
»Sieht ganz so aus«, brummte Hansen, »als könnten wir unseren Zeugen im Moment nicht weiter befragen.«
»Was machen Sie da?«
Hansen wandte sich um: Ein korpulenter Mann marschierte mit schweren Schritten auf ihn zu, sein Blick funkelte unter buschigen Augenbrauen hervor, darüber wölbte sich eine hohe Stirn, von der sich das ansonsten volle dunkelblonde Haar schon zurückgezogen hatte. Er stoppte erst direkt vor Hansen und baute sich beinahe bedrohlich vor ihm auf. Hansen sah ihn ruhig an und nestelte derweil in seiner Jacke nach einer Visitenkarte oder seinem Ausweis.
»Jetzt grüß ihn erst mal freundlich, Freddy«, rief Haffmeyer von hinten. »Das ist mein neuer Chef, Erster Kriminalhauptkommissar Hansen. Und das hier ist Polizeihauptmeister Kerricht, er arbeitet im Revier Füssen und wohnt in Lechbruck. Hör mal, Freddy, du bist so schnell nach hinten gestürmt, dass du mich nicht einmal bemerkt hast – diesen Auftritt hättest du dir sparen können.«
Er grinste Kerricht an, und der blickte ein bisschen verlegen drein, aber Hansen streckte nur die Hand aus.
»Guten Tag, Herr Kollege, ich hab heute schon einiges von Ihnen gehört.«
Kerricht schlug ein, sah Hansen aber fragend an.
»Herr Koller hat mich darüber informiert, was Pröbstl Ihnen heute Nacht erzählt hat und was Sie daraufhin unternommen
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