Rosskur: Ein Allgäu-Krimi
haben. Frau Ruff hat Ihnen am Telefon gesagt, dass ihr Mann im Bett liege und schlafe. Ist das richtig?«
»Ja.«
»Nun, wir waren gerade bei Frau Ruff, und ihr Mann war heute Nacht wohl doch nicht zu Hause. Die beiden schlafen getrennt, und erst nach Ihrem Anruf hat sie nachgesehen – sein Bett war unberührt.«
Kerricht sah betreten zu Boden. Hatte er gestern Nacht womöglich Mist gebaut? Was, wenn nun doch irgendwo am Fluss Ruffs Leiche auftauchte? Er machte sich auf ein Donnerwetter von Kollers neuem Chef gefasst, aber der sprach in ruhigem Ton weiter.
»Waren Sie der Erste, mit dem Herr Pröbstl über seine Beobachtung gesprochen hat?«
»Ja, er hat mich angerufen. Ich wohn direkt neben Pröbstl, und der macht mir mit seiner Sauferei schon seit Jahren Kummer. Also hat er meine Handynummer, falls er mal Hilfe braucht. Und ab und zu konnte ich ihm auch schon aus der Patsche helfen.«
»Wieso? Was stellt er denn so an?«
»Nichts Schlimmes, aber … Wenn er nachts mal wieder randalierend nach Hause torkelt und ein Nachbar will sich beschweren, dann bin ich ganz froh, wenn die Leute sich gleich an mich wenden. Die wissen ja alle, dass ich in Füssen auf der Inspektion arbeite – und bisher konnte ich die immer beruhigen und um Verständnis für den Pröbstl bitten. Das ist eine ganz arme Sau, wissen Sie? Da muss man nicht auch noch hinterhertreten.«
»Das ist aber anständig von Ihnen«, lobte ihn Hansen.
»Und was haben Sie befürchtet, als Sie uns hinters Haus gehen sahen?«
»Ich hab Sie ja nicht gekannt, und da dachte ich … Na ja, manchmal spielen Leute aus Lechbruck und den umliegenden Orten dem Pröbstl Streiche. Da hab ich halt ein Auge drauf – ich finde, das macht man nicht. Der kann sich doch nicht wehren, wenn er da besoffen rumliegt.«
Hansen nickte nachdenklich. »Wir wollten noch einmal mit unserem Zeugen reden, wegen dieser Geschichte um Thomas Ruff und die beiden Männer, die ihn von der Lechbrücke geworfen haben sollen.«
»Ach, das hat sich der alte Suffkopf nur eingebildet, glauben Sie mir. Er hat mich angerufen, da saß ich gerade gemütlich im Lechstüberl und hatte so gar keinen Kopf für seine Spinnereien. Aber er hat irgendwie … ich weiß auch nicht … Er selbst war total überzeugt, dass er das wirklich beobachtet hat. Und auch wenn ich mir sicher war und bin, dass da nichts dran ist, wollte ich kein Risiko eingehen und hab die Kollegen informiert.«
»Unter der Hand, gewissermaßen.«
»Ja, gewissermaßen.«
»Und haben Sie den Kollegen auch gesagt, für wie zuverlässig Sie Ihren Zeugen halten?«
»Ja, hab ich, aber die sind trotzdem gekommen. Man weiß ja nie. Außerdem lohnt sich das meistens für die Kollegen. Heute Nacht zum Beispiel hat die Füssener Streife auf ihrer Weiterfahrt direkt nach dem Ortsausgang Lechbruck einen Besoffenen erwischt. Und die Schongauer Kollegen sind gleich an der Brücke stehen geblieben und mussten für zwei Treffer keine halbe Stunde warten: Erst kam ein Bauer aus Urspring mit seinem Pickup in Schlangenlinien gefahren, und dann haben sie einen Maurer aus Wildsteig angehalten, der ist ihnen, als sie die Tür aufmachten, fast entgegengepurzelt, so voll war der.«
Kerricht lachte, besann sich dann aber gleich wieder.
»Zu Pröbstls Meldung hat sich leider nichts ergeben. Die Kollegen waren sogar drunten am Fluss: nichts gefunden.«
»Wir waren vorhin auch dort, vielleicht haben wir etwas – aber das konnte in der Nacht niemand finden. Ich hätte es jetzt, am helllichten Tag, auch fast übersehen.«
»Ach? Was denn?«
»Nur Kleinigkeiten, muss auch nichts bedeuten, aber ich kann Sie gerne auf dem Laufenden halten – schließlich haben Sie ja ohnehin schon mit dem Fall zu tun.«
»Danke.«
»Bleibt noch zu klären, ob Herr Ruff einfach nicht zu Hause war – oder ob an der Aussage Ihres Zeugen doch etwas dran ist. Frau Ruff hat ihn jedenfalls seit gestern Mittag nicht mehr gesehen.«
»Hm.« Kerricht wirkte nun doch sehr nachdenklich.
»Könnte er denn woanders übernachtet haben?«, fragte Hansen, als der Kollege keine Anstalten machte weiterzureden. »Frau Ruff schien das eher normal zu finden – und sie machte auch keinen Hehl daraus, dass die beiden seit einiger Zeit eher nebeneinanderher leben.«
»So?«
»Ja, das hat sie uns vorhin frei heraus erzählt. Ins Haus hat sie uns nicht gebeten, aber über den Zustand ihrer Ehe hat sie uns eben mal zwischen Tür und Angel informiert.«
»Oh, dann weiß sie es also
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