Rosskur: Ein Allgäu-Krimi
doch … Scheiße!«
»Was weiß sie?«
»Ach, die Sache mit Kessie.«
Hansens fragenden Blick quittierte Kerricht mit einem entschuldigenden Lächeln.
»Kessie heißt eigentlich Kerstin Wontarra. Ein verdammt hübsches Mädel ist sie, und das weiß sie auch.«
»Und mit dieser Kessie hat Ruff ein Verhältnis?«
»Ja, die hat schon länger was mit dem Thomas, im Dorf ist das kein Geheimnis – aber wir dachten halt alle, Marlene hätte nichts davon mitbekommen.«
»Wohnt Frau Wontarra auch in Lechbruck?«
»Nein, drüben in Gründl, aber die beiden Dörfer sind ja nur durch den Lech getrennt, weit hatte es Thomas also nicht – einfach über die Brücke und dann …«
Kerricht verstummte und sah Hansen lange an.
»War er denn üblicherweise zu Fuß unterwegs?«
»Soweit ich weiß, schon«, sagte Kerricht. »Dann sieht auch keiner sein Auto vor Kerstins Haus stehen – er fährt einen ziemlich auffälligen Geländewagen.«
»Nehmen wir mal an, Ruff war gestern Abend auf dem Weg zu seiner Geliebten, und zwei Männer passen ihn auf der Brücke ab und werfen ihn hinunter … Ach nein, Mist! Dann konnte Pröbstl das Ganze gar nicht richtig beobachten, und wir haben auf der falschen Seite der Brücke nach Spuren gesucht.«
»Warum das denn?«
»Pröbstl hat behauptet, dass Ruff auf der Südwestseite von der Brücke geworfen wurde – aber auf dieser Seite gibt es keinen durchgehenden Fußweg entlang der Straße. Also ist Ruff wohl eher auf der anderen Seite unterwegs gewesen und wäre dann auch flussabwärts über das Brückengeländer gestürzt. Das aber hätte Pröbstl nicht so gut beobachten können – während die Stelle von einer ganzen Reihe von Wohnhäusern in Lechbruck sehr gut zu sehen gewesen wäre.«
»Nein, so ist das sicher nicht gelaufen«, wandte Kerricht ein. »Schauen Sie: Wenn Thomas von seinem Pferdehof zu Kerstins Haus wollte, ist er sicher den kürzesten Weg gegangen, nämlich über sein Grundstück den Hang hinunter, weiter auf den Wiesen dort und schließlich den Weg vom Wehr flussabwärts den Lech entlang bis zur Brücke. Dort angekommen würde jeder Lechbrucker auf dieser Straßenseite bleiben, ein paar Meter direkt am Fahrbahnrand entlanggehen und danach den schmalen Wegstreifen zwischen Straße und Brückengeländer nehmen.«
»Also doch auf Pröbstls Seite.«
»Ja, und noch etwas stimmt nicht an Ihrer Beschreibung.«
»Was denn?«
»Abends wäre Thomas nicht auf dem Weg zu Kerstin gewesen, sondern schon wieder auf dem Heimweg.«
»Der hat sie tagsüber besucht?«
»Ja, wahrscheinlich hat er gedacht, dass das seiner Frau weniger auffällt. Außerdem arbeitet Kerstin in Schongau im Krankenhaus und hat nachmittags oft frei.«
»Okay, dann wäre Herr Ruff also auf dem Heimweg gewesen, und alles hätte zu Pröbstls Beschreibung gepasst.«
»Aber Pröbstl säuft wie ein Loch, Sie sehen es ja selbst.« Kerricht deutete zu dem Fenster, hinter dem der Betrunkene unverdrossen weiterschnarchte. »Auf den sollten Sie sich lieber nicht verlassen.«
»Trotzdem … Pröbstl hat Sie angerufen, Herr Kerricht, und hat Ihnen als Erstem von seiner Beobachtung erzählt, außerdem kennen Sie hier im Dorf jeden – ich hätte Sie gerne im Team, falls sich Pröbstls Aussage als wahr erweist. Sind Sie dabei?«
Kerricht sah ihn überrascht an – eigentlich hatte er eher damit gerechnet, dass ihn Hansen wegen seines inoffiziellen Vorgehens scharf angehen würde. »Klar bin ich dabei!«
»Gut. Ich geb Ihnen Bescheid, sobald wir mehr wissen.«
»Und jetzt? Ich habe gerade frei, da könnte ich Ihnen doch vielleicht schon ein bisschen zur Hand gehen, oder?«
»Ich weiß nicht so recht … Im Moment kann sich unsere Theorie genauso gut noch in Luft auflösen – und mit welcher Begründung melden Sie dann Ihre Überstunden?«
»Vergessen Sie das mit den Überstunden: Ich mach das im Moment aus rein privatem Interesse – oder glauben Sie, ich schau ganz ruhig zu, während Sie und die Kollegen in meinem Dorf herauszufinden versuchen, ob hier ein Mord passiert ist oder nicht? Wenn schon mal endlich was los ist hier im Ort, dann will ich auch dabei sein!« Er grinste.
»Na, gut, Herr Kerricht, dann zeigen Sie mir mal den Weg zu dieser Kerstin – und Frau Fischer und Herr Haffmeyer: Sie schauen bitte mal auf dem Pferdehof nach, ob Ruffs Wagen da ist.«
»Ein älterer und ziemlich zerbeulter Geländewagen«, fügte Kerricht hinzu. »Dunkelgrün mit ein paar schlampig ausgebesserten Lackstellen
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