Rosskur: Ein Allgäu-Krimi
Handwerk lega, Herr Kommissar?«
Haffmeyer bemühte sich vergeblich um einen ernsten Gesichtsausdruck, Hansen gelang es besser.
»Na ja, Frau Waghuberl, das kann ich gerne den Kollegen in Füssen ausrichten, aber die werden im Moment nicht viel Zeit haben – wir ermitteln in einem sehr kniffligen Mordfall, da bleibt manches andere leider liegen.«
»Da ham S’ freilich recht, aber mit dem Mordfall hat’s ja auch zu tun: Den Wanderweg san s’ langgfahrn am selben Abend, als der Ruff Thomas von dr Brückn gstürzt isch.«
»Ach? Und wissen Sie noch, wann genau das war?«
Sie sah ihn tadelnd an.
»Das können Sie nur wissen, wenn Sie gerade auf die Uhr gesehen haben«, fügte Hansen hinzu, »ganz zufällig natürlich.«
Das besänftigte sie ein wenig, und sie dachte nach. »Des muass kurz nach zehne gwäsa sei.«
»Es waren zwei Mopeds?«
»Ja, an Deifelsradau ham di gmacht, aber lang isch’s net ganga.«
»Und die sind diesen Wanderweg unten am Lechufer langgefahren?«
»Freilich, wenn i’s doch sag! I hab’s no saga wella, wia Sie das erschte Mol bei mir worn, aber da hab i’s glatt verschwitzt.«
»Ist Ihnen noch etwas aufgefallen?«
»Noi, tuat mir leid. Hilft Eahne des wenigschtens a bissle?«
»Sogar sehr, Frau Waghuberl, vielen Dank.«
Die alte Frau stand vor ihm und wartete offensichtlich darauf, dass er ihr erklärte, wie diese Information denn nun genau in das aktuelle Ermittlungspuzzle passte, aber Hansen hatte keine Lust, der Soko die Arbeit durch das Getratsche in Gründl und Lechbruck weiter zu erschweren. Also nickte er ihr noch einmal freundlich zu, schüttelte ihr die Hand und sah zu, dass er schnell über die Straße kam, wo schon Hanna Fischer auf ihn wartete.
»Schauen Sie mal, Herr Hansen.«
Sie stand hinter der geöffneten Heckklappe des Dienstwagens und hielt die beiden Enden einer im Kofferraum liegenden Leine aus blauem Nylon in der Hand. Am einen Ende war eine Lederschlaufe mit einer Schnalle zu sehen, das andere Ende bildete eine einfache Schlaufe.
»Das ist eine Longe«, erklärte sie. »Diese Leine wird beim Voltigieren benutzt oder wenn man ein junges Pferd ausbilden will. Sie ist etwa acht Meter lang und könnte zu den Spuren passen, die am toten Ruff gefunden wurden.«
»Sie meinen, damit könnte er an den Fahrer eines Motorrads gebunden worden sein?«
Sie nickte eifrig und nahm eine weitere Leine aus dem Kofferraum. Die war knapp drei Meter lang und bestand teils aus Leder, teils aus hellbraunem Gurtmaterial, in das alle zehn bis zwanzig Zentimeter ein Quersteg eingearbeitet war.
»Dieser Zügel gehört zu einem Bitless Bridle, einem in den USA entwickelten Zaumzeug, das den Zug des Reiters nicht aufs Maul des Pferdes konzentriert, sondern ihn auf Nasenrücken, Kinnbacken und Genick verteilt. Die Ruffs setzen das ein, weil sie glauben, damit ihre Reitpferde schonender führen zu können.«
»Aha. Und woher wissen Sie das alles?«
»Ich hab mich im Internet ein bisschen schlau gemacht, und das mit dem Zaumzeug und dem Schonen der Pferde breiten die Ruffs sehr pathetisch auf ihrer Homepage aus.«
Hansen nahm den Zügel in die Hand. Er war etwa zwei Zentimeter breit und konnte ebenfalls zu den von der Rechtsmedizinerin gefundenen Druckstellen an Ruffs Rücken passen. Mit einem solchen Gurt könnten problemlos zwei Menschen am Oberkörper zusammengebunden werden.
»Und die haben Sie vom ›Rossparadies‹ mitgebracht?«
Sie nickte.
»Gute Arbeit, Frau Fischer, danke.«
»Gern. Und jetzt?«
»Jetzt rufen Sie bitte die Kollegen an, die gerade die Sachen aus Ruffs Arbeitszimmer einpacken. Die werden ja bald fertig sein, nehme ich an.«
Sie nickte.
»Sie sollen gleich im Anschluss den Wanderweg absperren, der unterhalb der Lechbrücke in das Waldstück am Ufer führt. Keine Ahnung, wo der Weg wieder rauskommt, aber sie sollen bitte an beiden Enden niemanden durchlassen, bis der Erkennungsdienst kommt. Dort müssten sich Spuren von zwei Mopeds oder Motorrädern finden lassen – es dürften die sein, mit denen der tote Ruff weggebracht wurde.«
Sie pfiff leise durch die Zähne und nestelte ihr Handy hervor. Hansen rief währenddessen den Kriminaltechnikchef Kleinauer an und erzählte ihm von dem neuen Hinweis.
Auf dem Weg zu Marco Schwarzacker, dem früheren Freund von Kerstin Wontarra, überquerten sie in Urspring die erste Kreuzung, passierten die Dorfkirche und erreichten wenig später ein schönes Einfamilienhaus, in dessen kleinem Garten ein paar
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