Rosskur: Ein Allgäu-Krimi
gehörten uns die B 472 von Marktoberdorf bis Peißenberg und die Siebzehner bis zur Abfahrt Denklingen.«
Hansen hatte Anerkennung geheuchelt, auch wenn er nicht genau wusste, wo dieses Denklingen lag – aber allzu eindrucksvoll war der Machtbereich der Wild Horses wohl nie gewesen. Wenigstens waren ein paar Namen von Männern gefallen, die ein Geländemotorrad besaßen, wie Hansen es suchte: Marco Schwarzacker war dabei, ein gewisser Robert Gabler aus Steingaden und dann noch ein Walle aus Bernbeuren, den sie alle trotz seines kleinen Mopeds irgendwie cool fanden, von dem aber angeblich niemand den vollständigen Namen wusste.
»Frag den Uwe, der weiß so was«, hatte Zigan geraten. »Uwe Dreher, der schraubt in seinem Hinterhof in Lechbruck die unterschiedlichsten Kisten zusammen.«
Irgendwann hatten ihm die Biker ihre Maschinen gezeigt, hatten extra die Eingangstür zum Gasthof offen stehen lassen, damit noch etwas mehr Licht auf die Motorräder fiel und auf all die Fuchsschwänze, Hasenpfoten, Stoffsticker, Wimpel und Flaggen. Danach waren sie wieder an den Stammtisch zurückgekehrt, und drei Bier und zwei Schnäpse später war ihm das Licht ausgegangen.
Es klopfte an der Tür.
»Ja?« Seine Stimme krächzte, er erkannte sie kaum wieder.
»Ihr Kollege ist da, er will Sie abholen.«
Hansen sah auf die Uhr: Kurz nach neun, bis zur Soko-Besprechung war es keine Stunde mehr.
»Ist gut, ich komm gleich runter.«
Auf und neben dem einzigen Stuhl im Zimmer lagen seine Kleider. Duschen hätte keinen Sinn gehabt, weil er ohnehin keine frischen Klamotten dabei hatte, also schlüpfte er nach einer kurzen Katzenwäsche in die Sachen vom Vortag, öffnete das Fenster zum Lüften und tappte hinunter.
Die Wirtstochter stand am Tresen, sah sehr wach aus und deutete auf einen Tisch, der für zwei gedeckt war. Vor einem der Teller saß Kriminalhauptkommissar Xaver Moll und ließ sich Wurstbrot, Rührei und Kaffee schmecken.
»Morgen, Kollege«, sagte er mit einem Lächeln. »Setzen S’ sich her, schmeckt gut.«
»Aber müssen wir nicht los? Um zehn ist doch Soko-Besprechung.«
»Ja, schon, aber auf der werden S’ hungrig und müd und können wenig reißen. Also: Mahlzeit!«
Das Frühstück tat wirklich gut. Zwischendurch erzählte Moll mit vollem Mund, wie Haffmeyer ihn noch gestern Abend angerufen und ihn gebeten hatte, den Kollegen doch bittschön auf der Fahrt von Weilheim nach Kempten in Burggen aufzulesen. Hansen wiederum musste zugeben, dass seine Idee, hierzubleiben und mit den örtlichen Bikern zu trinken, für die Ermittlungen nichts Verwertbares eingebracht hatte.
Moll ließ sich von der Wirtstochter ein Glas Sprudel bringen, nestelte eine Tablette hervor und schob beides zu Hansen hin.
»Ich weiß ja nicht«, sagte er grinsend, »wie anstrengend Ihre Ermittlungen gestern Abend noch geworden sind, aber fürs Erste sollte das helfen.«
Kurz darauf gab Moll am Ortsausgang Burggen ordentlich Gas, und Hansen rutschte im Beifahrersitz ein wenig weiter nach unten und war eingeschlafen, noch ehe der Kollege die Bundesstraße erreicht hatte.
Lara Ruff saß weinend im Schuppen. Spät in der Nacht war Hermann mit seinem Motorrad nach Hause gekommen, ziemlich betrunken. Er hatte sie aus dem Bett gezerrt, hinüber ins Wohnzimmer geschleift und sich dort – während Gitarrenrock aus den Siebzigern aus den Lautsprecherboxen dröhnte – an ihr ausgetobt, bis er endlich schwitzend und völlig außer Atem auf dem Sofa liegen geblieben und gleich danach eingeschlafen war.
Fast eine Stunde lang hatte sie vor ihm gestanden, überall Schmerzen und Scham und in der Hand das lange Küchenmesser. Doch dann hatte sie sich in den Schuppen verkrochen. Das Messer lag mit seiner blitzblanken Klinge neben ihr auf dem gestampften Boden.
Und nun weinte sie, weil Hermann Ruff im Wohnzimmer, während er über sie herfiel, lallend und keuchend mit sich selbst geredet hatte. Was für ein toller Kerl er sei, wie sehr er als Präsident von seinen Wild Horses respektiert werde. Er brabbelte über den Stammtisch im Gasthof Kiefl, über seine Bikerkumpels und über Kommissar Hansen, der den ganzen Abend mit ihm getrunken und sich dabei als gar kein so übler Kerl entpuppt habe.
»Chansen, Chansen …« Sie schüttelte den Kopf, wischte sich zwischendurch die Nase am Ärmel ab und weinte weiter. »Immerchin chast du Chermann nicht verraten, dass ich seine Sprache kann.«
Als Hansen später am Tag mit Haffmeyer und Fischer in
Weitere Kostenlose Bücher