Rosskur: Ein Allgäu-Krimi
sich die Augen mit dem Taschentuch.
»Das wollte ich dich auch fragen«, meinte Marlene Ruff.
»Ich … Ich hab gehört, dass Ihr Mann da runtergestürzt ist. Herr Hansen war bei uns und hat meinen Mann verhört.«
»Das war kein Verhör, Frau Schwarzacker, ich habe ihm nur ein paar Fragen gestellt.«
»Meinetwegen, aber dabei habe ich erfahren, dass Thomas … Herr Ruff …«
Marlene Ruff musterte sie die ganze Zeit aufmerksam. Ihre Augen verengten sich ein wenig, als Andrea Schwarzacker ihren Mann beim Vornamen nannte.
»Und das geht Ihnen so nahe?«, fragte Hansen.
»Na, hören Sie mal, hier ist ein Mensch ermordet worden.«
Sie kämpfte weiter mit den Tränen.
»Wissen Sie was, Frau Schwarzacker?«, schlug er vor. »Ich lasse Sie von meinem Kollegen nach Hause fahren, Ihren Wagen bringen wir Ihnen auch – es ist wahrscheinlich keine gute Idee, wenn Sie jetzt Auto fahren. Ich wollte ohnehin noch einmal mit Frau Ruff unter vier Augen sprechen.«
Hansen gab Fischer und Haffmeyer ein Zeichen, woraufhin die beiden ausstiegen und auf die Brücke zugingen. Andrea Schwarzacker stand stumm am Geländer, machte aber keine Anstalten, mit Hansen zum Parkplatz hinüberzugehen.
»Andrea?« Marlene Ruff fixierte die junge Frau neben sich mit stechendem Blick. »Wie lange bist du schon nicht mehr bei uns reiten gewesen? Das ist doch schon ewig her, oder?«
»Seit fünf Jahren, elf Mo…« Sie unterbrach sich und fuhr erst nach einer kleinen Pause fort. »Seit etwa sechs Jahren«, sagte sie dann mit tonloser Stimme und putzte sich die Nase.
»Warum hast du damals aufgehört, Andrea?«
»Ich … Ich hatte einfach keine Lust mehr. So was kommt vor, man verändert sich, und dann mag man plötzlich kein Pferd mehr sehen und keins mehr reiten.« Sie sah Marlene Ruff trotzig an. »So war das.«
Die Ältere schüttelte nur langsam den Kopf.
»Was denn? Wieso glauben Sie mir nicht? Sie können mir das ruhig glauben, Frau Ruff!«
»So, Mädchen, du hast keine Lust mehr gehabt auf Pferde und aufs Reiten? Einfach so? Und dann merkst du dir diesen einen Tag, an dem dir dein liebstes Hobby einfach so zuwider wird, so genau, dass du mir die Jahre und die Monate und wahrscheinlich auch noch die Tage benennen kannst, die seither vergangen sind?«
Die junge Frau schluckte.
»Das kann ich dir nicht glauben, tut mir leid, Andrea. Weißt du, was ich glaube? Ich glaube, dass mein Mann Thomas vor der Sache mit Kerstin Wontarra dich gefickt hat! Und an diesem Tag, den du dir so gut merken kannst, hat er dich abserviert! So war das, du Flittchen, und das kannst du ruhig zugeben nach all den Jahren!«
Andrea Schwarzackers flache Hand landete auf Marlene Ruffs Wange – so schnell, dass die nicht einmal rechtzeitig die Hand zur Abwehr heben konnte. Nun standen sich die beiden Frauen gegenüber, beide mit Tränen in den Augen und vor Wut zitternden Lippen.
Fischer kam hinzu, zog Andrea Schwarzacker ein wenig zurück und führte sie dann zum Streifenwagen.
»Ich würde gern noch allein mit Frau Ruff reden, Herr Haffmeyer. Sind Sie so nett und bringen zusammen mit der Kollegin Frau Schwarzacker und ihren Van nach Urspring? Vielleicht kann Frau Fischer noch ein wenig bei ihr bleiben, und Sie holen mich dann auf dem Pferdehof wieder ab, ja?«
Haffmeyer nickte knapp und machte sich ebenfalls auf den Weg zum Streifenwagen.
»Gehen wir?« Hansen deutete in Richtung Lechbruck und griff nach der Plastiktüte, die Marlene Ruff noch immer in der Hand hielt.
Eine Weile gingen sie schweigend nebeneinander her. Plötzlich blieb Marlene Ruff stehen.
»Es ist so schön hier«, sagte sie. »Und ich war mir so sicher, dass ich hier mit Thomas glücklich werde, nachdem es auf diesem verdammten Bauernhof so schlecht angefangen hatte.« Sie schloss die Augen, legte den Kopf in den Nacken und schnupperte. »Riecht gut, irgendwo ist frisch gemäht. Riechen Sie das auch?«
»Ja, es riecht herrlich«, sagte er und lächelte. »Ich war ein paar Jahre lang an der Nordsee bei der Kripo Oldenburg. Da roch es überall nach Meer, die Luft war voller Salz, und auf den Märkten gab es überall fangfrischen Seefisch. Die Mischung dieser Gerüche vergesse ich nicht so schnell, und immer wenn ich wieder dorthin gefahren bin und alte Kollegen und Freunde besucht habe, habe ich mich heimisch gefühlt, sobald ich diesen typischen Duft in der Nase hatte.«
»Stammen Sie aus Oldenburg?«
»Nein, aus der Gegend von Hannover. Ein Stadtteil von Wunstorf, wirklich
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