Rosskur: Ein Allgäu-Krimi
paar Schritte weitergegangen war, ordentlich die Meinung zu sagen.
Doch Hanna Fischer hielt ihn zurück. »Lassen Sie das, Chef, das ist der Blödmann nicht wert, glauben Sie mir.« Sie sah dem Biker noch nach, aber nichts an ihrem Gesichtsausdruck verriet, dass sie sich durch die Pöbelei verletzt fühlte.
»Das müssen Sie sich nicht gefallen lassen, Frau Fischer.«
»Lass ich nicht, keine Sorge.« Sie grinste breit, nahm einen großen Schluck von ihrem Bier und lehnte sich bequem auf ihrem Stuhl zurück.
Der Biker hatte mit seinem Freund inzwischen den großen Stammtisch erreicht und ließ sich ganz hinten nieder, von wo er einen guten Blick auf den Tisch der Kommissare hatte.
»Wissen Sie, Herr Hansen, solche Typen sind eigentlich ganz arme Würstchen. Und glauben Sie mir, insgeheim …« Sie beugte sich etwas näher zu ihm hin und senkte ihre Stimme. »… insgeheim steht der total auf mich, aber er ist halt zu feig, mir das auch zu zeigen.«
Sie lachte leise, und der unverschämte Biker von vorhin sah einen Moment lang zu ihr hinüber, ehe er sich wieder abwandte und ein Gespräch mit seinem Tischnachbarn begann.
Hansen und Haffmeyer fragten sich, wann ein guter Zeitpunkt sein könnte, um sich unter den Motorradfahrern am Stammtisch ein wenig umzuhören. Aus den Augenwinkeln bemerkte Hansen, dass die Kollegin nicht bei der Sache war, sondern dem Biker von vorhin immer wieder Blicke zuwarf. Durchaus aufmunternde Blicke, wie Hansen irritiert feststellte.
»Sagen Sie mal, Chef«, begann sie in einer Pause, als Haffmeyer gerade einen Schluck nahm und Hansen die Stammgäste gemustert hatte. »Wenn ich so auf die Uhr sehe, habe ich doch eigentlich längst Feierabend, nicht wahr?«
»Wollten wir nicht noch mit den Motorradfahrern reden? Ich meine, Sie können gerne Schluss machen für heute, kein Problem. Haffmeyer und ich schaffen das auch allein. Aber wie kommen Sie denn dann nach Hause?«
»Ach, das ergibt sich dann schon, keine Bange. Vielleicht bin ich ja auch bald wieder da.«
Sie trank einen großen Schluck, setzte das Glas ab und lächelte ihrer Bikerbekanntschaft so breit zu, dass ihr fast die weiße Schnute aus Schaum von der Oberlippe gerutscht wäre. Dann nahm sie noch einen Schluck, leckte sich die Oberlippe genüsslich trocken, stand auf, klopfte mit den Knöcheln auf den Tisch und sagte lauter als nötig: »Ich muss mal raus, man sieht sich.«
Sie sah noch einmal zu dem Biker hinüber und bewegte sich langsam auf die Tür zu. Es war bei ihrer Figur nicht gut zu erkennen, aber Hansen hatte den Eindruck, dass sie dabei mit dem Hintern wackelte. Keine zwei Minuten später stand der Biker auf, erntete für eine kurze halblaute Bemerkung ein dreckiges Lachen und marschierte an den Kommissaren vorbei auf die Ausgangstür zu.
Hansen machte Anstalten, sich zu erheben, aber Haffmeyer hielt ihn davon ab.
»Der geht der Kollegin nach, das sehen Sie doch auch«, protestierte Hansen. »Wollen Sie denn, dass ihr etwas geschieht?«
»Hanna geschieht nichts«, grinste Haffmeyer seelenruhig und bestellte per Handzeichen noch drei Bier. »Hanna nicht, keine Sorge.«
»Wieso drei? Frau Fischer ist doch gerade eben …«
»Ja, nun warten Sie halt mal ab. Geben Sie ihr fünf Minuten, höchstens zehn.«
Hatte Frau Fischer es denn tatsächlich so nötig, dass sie sich mit einem dahergelaufenen Widerling einließ, der sie obendrein übelst beschimpft hatte?
Nach einer Weile – es waren noch keine fünf Minuten vergangen – war von draußen ein besonders unsympathisches, anzügliches Männerlachen zu hören. Es wurde lauter und brach dann abrupt ab. Nun waren unregelmäßig polternde Schritte zu hören, jemand oder etwas schien ein paarmal gegen die Wand zu stoßen, dazu ertönten immer wieder kurze, mal klatschende, mal eher dumpfe Geräusche. Hätte Hansen nicht eine männliche Stimme nach jedem dieser Schläge aufstöhnen und jammern hören, er wäre der Kollegin sofort zu Hilfe geeilt. Doch Hanna Fischer schien keine Hilfe zu brauchen, und ein Blick in Haffmeyers zufrieden lächelndes Gesicht bestätigte ihn in seiner Vermutung.
Dann knallte draußen eine Tür gegen eine Mauer, kurz darauf schlug sie zu. Nun war Ruhe, und als Hansen sich streckte, sah er durchs Fenster, wie sich der Biker von vorhin fluchend und taumelnd aufrappelte, sich den Arm rieb und dann gebückt auf eines der Motorräder zuhumpelte.
Die Tür zum Gastraum öffnete sich, und Hanna Fischer marschierte herein. Sie rieb sich die
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