Rosskur: Ein Allgäu-Krimi
Knöchel der rechten Hand, aber ansonsten war ihr nicht anzusehen, dass sie gerade in eine Schlägerei verwickelt gewesen war. Etwas außer Atem, aber lächelnd kam sie an den Tisch, setzte sich und zog eines der drei neuen Biergläser zu sich her.
»Ach, Willy, hast du dir deinen Teil schon gedacht? Sehr gut, danke, ich hab jetzt wirklich einen gescheiten Durst.«
Die Männer am Stammtisch tuschelten und sahen immer wieder zu ihr her.
»Na, Jungs, vermisst ihr euren Kumpel?«, rief sie. »Der hat heute, glaube ich, keine Lust mehr auf Gesellschaft. Richtet ihr diesem … wie heißt er denn eigentlich?«
»Richie«, sagte einer der Männer.
»Richtet ihr eurem Richie bitte aus, er soll sich künftig höflicher benehmen?«
Die Männer wandten sich ab und murmelten aufgeregt durcheinander.
Hansen starrte seine Mitarbeiterin an.
»Was ist denn, Chef?«
»Sie können doch nicht einfach einen Mann verprügeln! Sie sind Kriminaloberkommissarin, da müssen Sie doch ein Vorbild sein, aber so …«
»Halt, Chef! Ich hab doch vorhin extra noch gefragt, ob ich Feierabend machen kann. Und wie ich da arglos aus der Frauentoilette komme, ganz privat zu diesem Zeitpunkt, steht dieser Idiot, dieser Richie, vor der Tür und macht mich an. Ich hab natürlich ›nein‹ gesagt, aber der hat nicht hören wollen. Das hab ich dann als Notwehrsituation eingeschätzt. Meinen Sie, das war falsch?«
Sie sah ihn mit übertrieben naivem Augenaufschlag an, und Hansen musste lachen.
»Aber im Dienst«, sagte er noch und versuchte seiner Stimme einen strengen Klang zu geben, »will ich so etwas von Ihnen nicht sehen, verstanden, Frau Fischer?«
»Natürlich nicht, Chef. Apropos Dienst – jetzt hätte ich wieder Zeit und nichts anderes vor. Meinen Sie, ich könnte wieder mit ermitteln?«
Als sich die Tür zum Gasthof Kiefl das nächste Mal öffnete, kam Hermann Ruff herein. Er hatte die schütteren Haare nach hinten gegelt, trug ein Stirnband mit Verzierungen im Indianerstil, eine Lederjacke mit Fransen, eine etwas zu enge Jeans und schwere schwarze Lederstiefel. Unter dem Arm klemmte einer dieser Motorradhelme, die militärischen Stahlhelmen nachempfunden sind und besonders cool wirken sollen. Vorn auf der schmalen Stirnpartie des Helms war ein Aufkleber mit dem Schriftzug »Hermie for President« befestigt.
Breitbeinig stand er da und ließ langsam seinen Blick über den Gastraum schweifen, als wollte er allein damit seinen Führungsanspruch untermauern und in Ruhe prüfen, ob sich auch kein Unwürdiger in sein Revier gewagt hatte. Entsprechend baff war Ruff denn auch, als er tatsächlich einen solchen Unwürdigen im Lokal entdeckte.
»Was machen Sie denn hier?«, brummte er und sah Hansen und seine beiden Mitarbeiter ungnädig an.
»Wir wollten mit Ihnen reden«, gab Hansen zurück, obwohl er bisher keine Ahnung gehabt hatte, dass Hermann Ruff zu dieser Runde gehören würde.
»Da schau her. Und woher wissen Sie, dass ich mittwochs hierherkomme?«
»Na, das ist doch der Bikerstammtisch hier, oder nicht? Und Sie sind doch offenbar der Präsident dieser … Gruppe.«
»Wir sind ein Chapter, keine Gruppe.«
»Aha. Und zu welcher Organisation gehört Ihr Chapter?«
»Das … äh … das müssen wir noch entscheiden. Vorerst sind wir eigenständig, vielleicht bleiben wir das auch, mal sehen.«
»Und wie heißt Ihre Gruppe, ich meine: Ihr Chapter?«
»Wir sind die Wild Horses, da können Sie im Umkreis jeden fragen.«
»Ach, das passt ja. Wo Sie doch Pferdezüchter sind.«
»Klar passt das, ich hab die Gruppe ja auch gegründet.«
»Das ist ja toll«, schmeichelte ihm Hansen und stand auf. »Wären Sie so freundlich und würden uns Ihre Freunde vorstellen?«
»Ich … ja, warum eigentlich nicht. Kommen Sie.«
Hansen schnappte sich einen Stuhl, Haffmeyer und Fischer taten es ihm gleich, und so folgten sie Präsident Hermie an den Stammtisch.
»Grüß Gott, Leute, die hier sind von der Kripo und wollen euch kennenlernen.« Er deutete auf die drei Kommissare. »Das hier ist Hansen, und die anderen beiden …«
»Hanna Fischer und Willy Haffmeyer«, half ihm Hansen. »Und Sie sind …?«
Ruff deutete reihum auf die Anwesenden und stellte sie als Haken, Sepp, Rammler, FJ, Toni und Zigan vor.
»Angenehm«, sagte Hansen und schob seinen Stuhl in eine Lücke. Auch Haffmeyer und Fischer setzten sich. Vor allem der Kommissarin wurde bereitwillig Platz gemacht. Schließlich nahm Ruff auf dem einzigen Stuhl mit
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