Rost
mitfühlend, dachte
er. Doch es stimmte. Er machte sich auch die schlimmsten Sorgen, wenn der Hund
zu lange fortblieb auf einem Streifzug.
Er sah das Schild zum Yachthafen und fuhr die lange grüneStraße
runter, die durch einen Baumtunnel führte. Wie lange lebte er schon hier? Seit
dreiundzwanzig Jahren. Davor sechs Jahre lang Philadelphia im Polizeidienst,
davor vier bei den Marines als Militärpolizist. Das hatte er gar nicht so
geplant, er hatte sich freiwillig dort gemeldet, weil das besser war, als
eingezogen zu werden, und bei der niedrigen Nummer, die er bekommen hatte, wär
er sowieso ganz sicher eingezogen worden. Jemand sagte zu ihm, dass die
arschigen zweiten Lieutenants Militärpolizisten seltener auf ein
Himmelfahrtskommando schickten, außerdem kam man am Ende noch mit einer
Ausbildung raus, die man tatsächlich gebrauchen konnte, falls man überhaupt
rauskam natürlich.
Auf dem Parkplatz stand schon Glen Patackis schwarzer Lincoln, eine
Richterlimousine, frisch gewachst. Es gab halt Leute, die ihr Auto wachsten, und
die anderen, die es nicht taten. Eins drunter gab’s noch diejenigen, die ihre
Autos wuschen, und die anderen. Wie Harris.
Glen erwartete ihn auf dem Boot, er winkte schon von weitem, als er
Harris auf die Grünfläche am Wasser treten sah. Ein 38 -Fuß-Boot, Carver , mit zwei 454 - Crusader -Motoren. Eine Yacht, unter den Flussbooten. Zwar
hatte Harris seine eigene Liegestelle, doch sein 19 -Fuß-Boot,
Marke Valiant , war schon drei Jahre nicht mehr auf
dem Wasser gewesen. Er wollte es demnächst verkaufen. So ein Boot war wie ein
zweiter Hund, nur liebt ein Boot dich nicht dafür, dass du die Hälfte deines
Monatslohns in seinen Unterhalt versenkst.
»Ein toller Tag, findest du nicht?«, rief Glen und wies mit großer
Geste auf die Gegend. »Würde man ein Stück flussaufwärts nicht mehr meinen.«
Es war eine andere Welt. Buell war zwar bewaldet, doch die Industrie
reichte nicht bis ins südliche Mon-Tal. Nur Bäume, Äste, die tief überm Wasser
hingen, und der träge schlammige Fluss selbst. Still, ab und zu kam mal ein
Boot vorbei oder ein Schubverbund.
Als Harris auf das Boot geklettert kam, bot Glen ihm einen Platz
an.
»Bud, kein langes Drumherum: Der Grund, warum ich dich hierhergebeten
habe, ist der Typ vom Valley Independent , der überall
rumschnüffelt und Akteneinsicht haben will.«
»In was für Akten?«
»Alle Akten über Billy Poe, bei denen wir eventuell vergessen haben,
sie mit dem ›Nicht öffentlich‹-Siegel zu archivieren. Weil der Punkt ist, dass
er nach was sucht, was diesen Billy-Poe-Mord noch ein bisschen schlimmer aussehen
lässt.«
»Da gibt es aber nichts zu finden. War das jetzt der einzige Grund,
dass du mich den weiten Weg hierhergelockt hast, bis nach Millsboro?«
»Du fehlst mir, Baby«, sagte Glen. »Das ist der wahre Grund, das
weißt du doch.«
»Ich weiß.«
»Und was mir außerdem in letzter Zeit noch durch den Kopf gegangen
ist, ich werde nicht mehr lange arbeiten. Ich dachte, dass wir das besprechen
könnten.«
Harris sah ihn an.
»Nein, mir geht’s gut«, sagte Patacki. »Ist nur so, ich habe meinen
Schnitt gemacht und dachte mir, wenn ich in Rente gehe, könntest du dir
überlegen, ob du für die Stelle antrittst. Wäre sicher gut für dich.«
»Daran hab ich noch nie gedacht.«
»Noch nie?«
»Eigentlich nicht.«
»Das ist das Schöne an dir, Bud. Ich hätte das ungefähr zehn verschiedenen
Leuten sagen können, und sie würden mir jetzt allesamt den Schwanz lutschen.«
»Da brauch ich vorher aber einen Drink.«
»Na klar. Du weißt ja, wo du alles findest.«
Harris griff an ihm vorbei in die Kühltasche und holte sich eine
Dose High-Life-Bier.
»Professionell gesehen und weil ich schon ein paar Jahre mehr
drauf habe, überlege ich, dass es wohl besser für dich wäre, wenn du klar auf
Abstand zu der Billy-Poe-Geschichte bleibst, auch in Bezug auf diese
Zeitungsmeldung«, sagte Glen. »Was übrigens die Mutter einschließt.«
»Mach dir bloß um mich mal keinen Kopf, du fetter Drecksack.«
»Eines lässt mich hoffen, nämlich dass die Sache gegen ihn angeblich
wasserdicht ist.«
»Dass ich mich im letzten Jahr für Billy eingesetzt habe, war nur
für seine Mutter, nicht für ihn. Ich wusste immer, Billy ist ein hoffnungsloser
Fall.«
Patacki grinste. »Weißt du, dass du es dir schwerer gemacht hast,
indem du unverheiratet geblieben bist? Die Leute wollen, dass die Staatsdiener
sich ganz normal benehmen. Keine
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