Rost
Laster haben. So wie ich halt.«
»Botschaft angekommen«, sagte Harris. »Weißt du, letztes Jahr, da
hast du dich für mich weit aus dem Fenster gelehnt. Das weiß ich zu schätzen.
Tut mir leid, wenn das auf dich zurückfällt.«
»Nein, Bud, schon in Ordnung, ich bin bloß ein alter Säufer, hab mir
halt nur Sorgen gemacht, ganz zu schweigen davon, dass ich mit dem
Schlappschwanz von Huck Cramer beim Martini-Palaver saß und er mich zur
Weißglut brachte.«
Cramer war der Bürgermeister von Buell und war, wie auch Don Cunko,
in den Ausschreibungsskandal der Stadt verstrickt, in Sachen Kanalisation.
»Huck Cramer dürfte gerade andere Probleme haben.«
»Denk dran, dass dein Job ernennungsabhängig ist, Bud. Sonst wirst
du am Ende deine Rente noch da unten im Lederstrumpf-County kriegen. Ein Jahr
geb ich dir, bevor du dir die Kugel gibst. Du bist ein Herdentier, genau wie
wir.«
Bud Harris zuckte mit den Schultern.
»Ich beneide dich nicht, weiß ich wohl. Ich hab von den verdammtenHaushaltskürzungen gehört, ich weiß, was das bedeutet, noch mehr
Teilzeitnieten.«
»Die Vergünstigungen sind dran schuld«, sagte Bud Harris.
»Ich kann deine Leute nicht mal mehr dazu bewegen, Strafmandate
auszustellen, weil die Hälfte von ihnen Tag und Nacht durcharbeitet, eine
Schicht in Charleroi, dann runter nach Buell und schließlich noch in
Brownsville. Wohnen tun sie in Greene County. Und sie haben keine Ahnung von
ihren Gemeinden, wo sie eigentlich die Polizisten sind.«
»Die dürfen gar nicht länger als zwölf Stunden am Stück arbeiten.«
»Ehrlich gesagt, es ist mir wurscht, was sie genau tun«, sagte Glen
Patacki. »Solang sie mir die Scheißstrafmandate schreiben. Noch vor zehn Jahren
hab ich 6000 Fälle jedes Jahr erledigt, jetzt bin ich
auf 4300 runter. Mein Büro hat Einnahmen von 450000 Dollar, früher waren es über 800000 .
Da hast du die Haushaltskürzung. Mann, wir kriegten 100000 im Jahr nur durch die Strafzettel, und jetzt? Das Mädel, das wir zu den
Parkuhren geschickt haben, ist kaum noch draußen unterwegs.«
»Das sind doch sowieso bloße Symptome.«
Glen Patacki nickte und sah auf die Uhr. »Wird höchste Zeit für
meine Spritze«, sagte er. »Ich darf doch?« Dann zog er die Aktentasche rüber,
öffnete sie, holte eine kleine Spritze raus und hob sein Hemd an, um sie in die
blasse Haut am Bauch zu injizieren, Harris anlächelnd. Dem war es etwas
peinlich. »Alle sagen, dass der Suff wahrscheinlich an dem Diabetes schuld ist,
aber …«
»Irgendwie muss man ja auch leben, nicht wahr?«
»Ganz meine Meinung.« Glen nahm einen Schluck von seinem Drink. »Ich
darf dir kurz mal ein Szenario beschreiben, das mir durch den Kopf gegangen
ist? Was wäre, wenn wir, bevor diese Häuser aufgekauft und in Sozialbauten
verwandelt wurden, alle einfach abgebrannt hätten, na sagen wir, um 1985 , jedes leere Haus der Innenstadt schlicht
plattgemacht, bevor die armenSchlucker hergezogen sind. Wenn du dir das mal
überlegst, die halbe Stadt wär mittlerweile wieder Forst. Das Steueraufkommen
genau dasselbe, aber halb so viele Einwohner und keins der heutigen Probleme.«
»Die Sozialbauten haben Danny Carroll eine Eigentumswohnung in
Colorado und eine in Miami eingebracht. Und ohne ihn …« Bud Harris zuckte mit
den Achseln. »Bitte, genau da liegt doch das Hauptproblem.«
Patacki nickte. »Eine Tatsache, die ich natürlich lieber ignoriere.«
»So war’s nicht gemeint.«
»Schon gut.« Potacki hob die Hand. »Wir wissen alle, Bud, dass du
ein guter Mann bist. Meist sind diejenigen, die etwas geregelt kriegen, wie
John Dietz und schöpfen Hartgeld aus den Video-Pokerautomaten ab. Da bist du
anders«, sagte er.
»So geh ich da nicht ran.«
»Nur an Grace Poe, da gehst du ran. Die ist dein Stolperstein.«
»Nicht schon wieder.«
»Triffst du sie noch?«
Harris wandte sich ab, schaute auf den Fluss. Und plötzlich fiel ihm
ein, dass das Gefängnis von Fayette, wo Billy Poe saß, in La Belle lag, direkt
auf der gegenüberliegenden Seite. Gut einen Kilometer weg.
»Du hättest in den Siebzigern hiersein sollen, Bud. Als die Polizei
alle drei Jahre neue Streifenwagen kaufte, mit Corvette-Motoren. Und als dann
die Achtziger kamen, war das Problem nicht nur, dass massenweise Jobs
verlorengingen, sondern dass die Menschen nichts mehr hatten, was sie gut
konnten.« Patacki zuckte mit den Achseln. »Wie gut kannst du sein, wenn du nur
einen Feudel schwingst oder die Bettpfannen ausleerst? Wir sind als
Weitere Kostenlose Bücher