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Rost

Titel: Rost Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Meyer
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allmählich nicht mehr wahrnahm. Heftiges
Rumoren seines Magens sagte ihm, dass er wohl wieder Hunger hatte, selbst das
bisschen Frühstück war ihm überhaupt nicht gut bekommen. Er war froh, dass er
allein gewesen war, als es passierte. Selbst wenn er gegessen hätte, was er
kannte, wäre es passiert, das wusste er, ihm wär vom Essen schlecht geworden,
und es wäre vorzeitig am einen oder anderen Ende wieder rausgekommen. Doch er
hatte keine andere Wahl – er musste essen. Das war sein Problem, er hatte sich
nicht abgehärtet. Schon sein ganzes Leben hatte er es locker angehen lassen,
das war sein Problem und sein Verhängnis, viele Chancen hatte er gehabt, doch
immer war er den Weg des geringsten Widerstandes gegangen, und jetzt noch das,
selbst dass er wählerisch beim Essen war, würde ihm schaden. Tja, er brauchte
Energie, da musste er auch essen. Eine Dusche war das nächste, was er brauchte,
auf den Duschraum freute er sich nicht. Das konnte hier kein guter Ort sein.
Bloß dass er noch immer nach Lee roch, auch das würde er abwaschen, Gerüche
kamen und sie gingen, unmöglich, sie zu bewahren, nicht so wie ein Bild in
deinem Kopf, auf das du nach Belieben immer wieder Zugriff hast.
    Dwayne hatte gesagt, ihm würde jemand Essen aus dem Laden bringen,
ihm war klar, das kostete was. Geld hatten sie nicht von ihm verlangt, aber er
war nicht blöd, umsonst war gar nichts, ganz egal, was sie ihm gaben. Und auch
da hatte er keine Wahl. Soweit er wusste, war jetzt jede Gang im Knast hinter
ihm her. Zwar sagten Dwayne und Larry, dass sie alles für ihn regeln würden,
Frieden schließen, und dass sie ihn dabei nicht gebrauchen konnten. Absprachen,
die hintenrum getroffen wurden, Poe hatte da keine Ahnung, musste ihnen wohl
vertrauen. In der einen Woche, die er mal im County-Knast gesessen hatte, war
es anders abgelaufen, da saßen die Typen wegen Trunkenheit am Steuer hinter
Gittern, Kleinigkeiten, diese Leute kehrten irgendwann zurück in ihr normales
Leben, nicht wie hier, die Männer lebten hier, und das war ihre Welt.
    Bloß, diese Haltung brachte gar nichts. So gewann man keine
Spiele, keine Kämpfe, gar nichts. Das war noch so ein Problem von ihm, sein
Blickwinkel. Es ging ihm einfach prima. Blendend geradezu. Es würd schon alles
werden, kein Grund, pessimistisch auf die Welt zu blicken, eigentlich war er
nicht ernsthaft hier, er würde rauskommen, das war doch nur der Staatsanwalt,
der ihn kleinkriegen wollte, er war gar nicht ernsthaft hier, bestimmt. Das war
ein Zwischenspiel, er würde nachher in der Kneipe damit angeben. Wie diese
Leute war er nicht, das würde sich schon alles aufklären, anders zu denken
hatte keinen Sinn.

3 . Isaac
    Er wusste nicht, wie lang er schon mit diesem Zug fuhr, und er
hatte sich das Auf und Ab der Stromleitungen angeschaut, bis ihm ganz schlecht
war. Mehrmals waren sie auf eins der Abstellgleise ausgewichen, damit andere
Züge überholen konnten, hatten stundenlang dort rumgestanden, wie es schien, er
war gelangweilt, voller Unruhe, doch auszusteigen hätte keinen Sinn gehabt – er
hatte Tage damit zugebracht, an Bord zu kommen.
    Später fuhren sie an einem Highway entlang, und zwar so schnell,
dass sie Autos überholten. Es gab so viele Geräusche, dass er sie nicht
auseinanderhalten konnte, das Gehämmere der Gleise, das Geschepper der Kupplungen
und das Windesrauschen, und dann quietschten ohrenbetäubend die Bremsen, der
nächste Waggon tat einen Satz nach vorn, als wollte er ihn gleich zermalmen,
und dann hüpften alle Waggons und sprangen wieder zurück, der Aufprall
schleuderte ihn fast von seiner Plattform und unter die Räder.
    Pass doch auf. Fast hätte es dich in Stücke eingelullt. Tja,
entweder ist die Fahrt angenehm oder erbärmlich. Nein, vor allem langweilig.
Schön auf den weiten Flächen, wo du weit über die Hügel weg sehen kannst,
andere Male eine Schneise durch die Bäume und sonst nichts, wie eine grüne
Mauer vor der Nase, klaustrophobisch. Tunnel sind am schlimmsten.
    Denk an Poe, was macht der wohl gerade? Fickt wahrscheinlich deine
Schwester. Oder liegt besoffen irgendwo herum. Und doch, er ist dir
nachgestiegen in den Fluss – daran gibt’s nichts zu deuten. Und er ist auf
deine Spritztour mitgekommen. Und hat mit der Schlägerei begonnen, ganz genau.
Alleine wärst du besser drangewesen.
    Er veränderte die Stellung wieder, seine Plattform war sehr
klein, zu kurz, um seine Beine auszustrecken, es fühlte sich an, als gäbe es
nicht einen

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