Rost
sah sich den Professor
an, der zwar nach Kotze roch, aber in Ruhe schlafen konnte.
Endlich kam ein Cop und brachte Poe in eine Art Garage, wo er in
einen Van einsteigen musste, der hinten einen Käfig hatte. Dort wartete er sehr
lange, es war wie ein Käfig für größere Tiere, Bärenhunde oder so, er schloss
die Augen. Es war höchstens zwei Uhr nachmittags, fühlte sich aber an, als wäre
er vor Ewigkeiten von zu Hause weggefahren. Er verlor das Zeitgefühl dafür,
seit wann er schon im Van saß, bis er vorn die Fahrertür hörte, auf, wieder zu,
dann öffnete sich das Garagentor, sie fuhren raus ins Licht. Der Fahrer sagte
nichts, und Poe war sowieso nicht danach aufzuwachen, er war in Gedanken bei
Lee und der letzten Nacht und wie schwer es ihm fiel, sie zu verstehen. Lee und
er hatten sich ein Motel gesucht und es die ganze Nacht getrieben, aber
irgendwas war schräg an ihr. Verheiratete Frau, was wollte man da schon
erwarten? Poe sah es klar vor seinem geistigen Auge, ihr Gesicht im Dunkeln, es
war deutlich wie ein Foto, denn so funktionierte die Erinnerung, man dachte
immer wieder an dasselbe, nur manchmal passierte es, dass man sich etwas anders
dran erinnerte. Allmählich war ihm übel von den ganzen engen, kurvenreichen
Straßen, und der Van war alt. Er hatte keine Ahnung, wo sie waren, Wälder,
Felder, Felder, Wälder, eine unendliche Folge, Landstraßen, die ständig
absackten und in die nächste Kurve gingen, nicht mehr lange, und er müsste sich
erbrechen. Als sie endlich anhielten, lag ein geräumiger Komplex aus niedrigen
Häusern vor ihnen, auf der Kuppe eines Hügels, alles sah brandneu aus, hätte
eineSchule sein können, von dem zwölf Meter hohen Maschendrahtzaun mit dem NATO -Draht darüber abgesehen. Man hatte einen guten Ausblick
auf den Fluss, dazu gab es vier stämmige Wachttürme, und ein Mann fuhr einen
weißen Pick-up als Patrouille über den Geländestreifen zwischen den zwei
Zäunen. Innerhalb des inneren Zauns lag eindeutig der Gefangenenhof, wo es
keinen Grashalm gab, nur Erde, dort standen Gefangene herum, in blauen Hemden
und beige-braunen Hosen, es gab zwei getrennte Zonen, und da waren Bänke, die
nach Hanteltraining aussahen.
Die Farbe, frisch und leuchtend weiß, und die Rasierklingen oben am
Maschendrahtzaun reflektierten jeden Sonnenstrahl, und auf den großen Fenstern
in den Wachttürmen war kein Fleck zu erkennen. Jemand kam heraus und öffnete
das Tor. Poe sah, wie es sich hinter ihm schloss und zurückblieb, immer weiter.
Drinnen nahmen sie den großen Pappumschlag mit seinem Portemonnaie und seiner
Uhr und zählten ihm das Geld noch einmal vor. Dann musste er sich ausziehen. Er
stand nackt da, Gesicht zur Wand. Zwei Wärter waren anwesend, mit Schlagstock
in der Hand. Und jetzt geht’s los, dachte er.
»Mach den Mund auf, heb die Zunge an. Dann fahr dir mit den Fingern
durch die Haare, und zwar alle Haare. Dreh dich um und zieh die Ohren ganz nach
vorn.«
Poe tat es.
»Beug dich vor und zieh die Backen auseinander, weit.«
Die Männer hielten ihren Sicherheitsabstand. Poe machte alles, was
sie sagten.
»Hast du irgendwas in deinen Tretern drin?«
»Worin?«
»In deinen Schuhen, Junge. Irgendwas da drin?«
»Nein.«
»Muss ich sie erst aufschneiden und reingucken?«
»Nein, bitte schneiden Sie mir nicht die Schuhe auf.«
Poe drehte sich nach vorn. Einer der Wärter tastete in seinenSchuhen
rum, mit blauen Latexhandschuhen. Sie trugen beide graue Uniformhemden und
schwarze Hosen, billiges Material; die Hemden fusselten vom vielen Waschen.
»Drehst du dich gefälligst wieder um«, sagte der kleine Wärter.
»Noch mal sag ich’s nicht.«
Poe tat es.
»Gut. Jetzt drei Mal vorbeugen, bis zu den Zehen, los.«
Poe tat es.
Einer klopfte mit dem Schlagstock an die Wand.
»Mach schnell«, sagte er. »Zwei Mal, los.«
Poe tat es.
»Gut in Form«, sagte der eine.
»Und was sollte das?«
»Nur falls du ein Behältnis hintendrin hast. Wenn du dir was reinsteckst
und dich zu schnell vorbeugst, schneidet’s dir von innen deine Eingeweide auf.«
»Ich hab da nichts drin«, sagte Poe.
»Dann merk’s dir für die Zukunft. Das ist eine regelmäßige Übung.«
Sie gaben ihm die Schuhe zurück, außerdem bekam er einen Overall,
orange, der nach dem Schweiß von jemand anders roch.
»Und Socken, Unterwäsche? Hab ich noch nicht«, sagte Poe. Die Männer
ignorierten ihn. Sie führten ihn in einen anderen Raum und wiesen ihn an, sich
vor einen großen Tisch zu
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