Rost
stellen, wo eine wuchtige schwarze Frau saß. Er
grüßte, sie ignorierte ihn. Sie prüfte seinen Namen nach.
»Hast du Selbstmordgedanken?«, fragte sie.
»Nein«, sagte er.
»Bist du ein Homosexueller?«
»Nein.«
»Hast du Krankheiten oder Allergien?«
»Nein.«
»Hast du je dran gedacht, dir etwas anzutun?«
»Das habe ich doch grade schon beantwortet«, sagte er.
Sie warf ihm einen entnervten Blick zu.
»Wie auch immer«, sagte er. »Was ist mit meinem Anwalt?«
Sie tat so, als hätte sie ihn nicht gehört. Er saß da und sah ihr
beim Schreiben zu. Er spürte, wie in ihm die Wut aufstieg, aber er blieb besonnen,
es würde ihm gar nichts helfen, wenn er seinen Jähzorn hochkochen ließ.
Die Frau schlug die Akte zu und nahm sich andere Papiere vor, die
anscheinend nichts mit ihm zu tun hatten, schließlich schrieb sie etwas in
ihren Terminkalender. Er stand, Arme hinterm Rücken, vor dem Schreibtisch. Und
so stand er lange. Bald trat er von einem Bein aufs andere, denn das eine
schlief ihm ein. Irgendwann gab sie einem Wärter einen Wink, der Poe in ein
anderes Zimmer brachte, wo ein Insasse, ein kleiner grauhaariger Schwarzer in
den Sechzigern, ihm einen Stapel Laken und ein Handtuch und ein Kissen rübergab
und ihn nach seiner Kleidergröße fragte.
Als die Wärter wieder rausgegangen waren, fragte der Schwarze: »Wie
viel willst du für die Schuhe, mein Freund. Timberland?«
»Red Wings.«
»Na, sag schon, was du dafür haben willst.«
»Die sind nicht zu verkaufen.«
»Hey, du Ratte, komm mir bloß nicht dumm.«
Poe sagte nichts. Der Mann ging weg und kam zurück, warf Poe eine
Polyester-Khakihose zu, dazu zwei Unterhosen, zwei Paar Socken und ein blaues
Button-Down-Jeanshemd.
»Das ist ja alles in der falschen Größe«, sagte Poe.
»Du bist ein saublöder Fisch, weißt du das?«
Am liebsten hätte er den kleinen Mann jetzt hochgehoben und ihm
seinen Schädel eingedrückt, aus irgendeinem Grund hatte der aber keine Angst
vor ihm. »Fisch«. Offenbar hießen die Neulinge hier so. Er zog den Overall aus
und die neuen Kleider an, dann kam einer der Wärter wieder, und Poe nahm den
StapelLaken, folgte ihm durch einen langen schmalen Korridor. Sie kamen
durch eine Kontrollstelle mit zentimeterdickem Plexiglas, sie wurden durch eine
Stahltür mit Summer eingelassen und betraten einen breiten Korridor, der so
lang wie ein Footballfeld war. Bis auf ein paar Wärter auf Patrouille und einen
Häftling, der einen Wischmop schwang, war alles leer. Der Boden war
blitzsauber, der Geruch nach Bohnerwachs und Putzmittel war überwältigend. Es
gab mehrere Türen zu passieren, und Poe spähte in die Zellenblocks hinein, da
sah er Männer, die auf Stühlen und Tischen herumsaßen, Musik dröhnte. Poe
dachte, dass der Wärter ihm erklären würde, wo es hinging, tat er aber nicht.
Schließlich erreichten sie noch eine Tür, der Wärter wandte sich um,
die Tür klickte, und sie traten in den Zellenblock. Das war ein langer breiter
Raum, zu beiden Seiten Zellenreihen, in der Mitte ein geräumiger Bereich für
alle. Mehrere Fernseher waren maximal laut aufgedreht und plärrten Rap-Videos
und die Jerry-Springer-Show hinaus. Dann gab es
Tische, wo die Männer irgendwelche Spiele spielten, Dame oder Schach
vielleicht, ein paar trugen dieselben Khakis und Jeanshemden wie auch Poe, die
meisten aber Sweatshirts oder Jogginghosen, die nicht aussahen, als hätte sie
der Staat gestellt. Der Lärm im Raum erstarb sofort, als die Anwesenden ihn
musterten.
»Ey, coole Schuhe«, rief einer von ihnen.
»Guck dir mal den schnuckeligen Fisch an.«
»Engen Britney-Spears-Arsch hat der Typ. Da willste doch sofort mal
ran und …« Aus dem Augenwinkel sah Poe, wie ein Häftling überdeutlich eine
Fickbewegung machte.
»Blödsinn, Nigga«, kam von einem anderen. Der rief Poe zu: »Ich werd
mich um dich kümmern, Baby. Lass dir von den anderen Wichsern keine Angst
einjagen. Du bist viel zu hübsch für die.«
Lautes Gelächter folgte, dann wetteifernde Pfiffe und Rufe, was sie
mit ihm machen würden.
Poe schaute zum Wärter, ob er etwas sagte, um die Insassen zur Ruhe
zu bringen, er tat es aber nicht.
»Nur keine Sorge, Fisch«, rief einer, »dieser Wärter hier ist so
ein Loser, der hält’s Maul, stimmt’s? Weil er nämlich gleich nach dir drankommt,
der Nigga.«
Der Vollzugsbeamte starrte stur nach vorn. Er fuchtelte zu einer
Gruppe Insassen, die eine Treppe blockiert hielten, doch die gingen erst im
allerletzten
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