Rot Weiß Tot
ohne deshalb gleich zum Schreiben von Strafzetteln verdonnert worden zu sein.«
Albin hatte die Erfahrung gemacht, dass Schmeicheleien bei Wienern umso besser ankamen, je platter sie waren. Auch diese verfehlte ihre Wirkung nicht. Bergmann lächelte. »Ich habe hier tatsächlich schon in anderen Fällen Journalisten getroffen. Es war immer spannend. Nicht wegen der Schreiberlinge. Die Verbrechen, für die sich die Presse interessiert, sind auch für mich die interessantesten.«
»Ich verstehe nicht, weshalb bei einem niederösterreichischen Fall ein Wiener Beamter ermittelt.«
»Ich verstehe nicht, weshalb Sie sich als Wirtschaftsjournalist dafür interessieren.«
»Ich hätte den Mann noch retten können, wenn ich ein paar Minuten früher da gewesen wäre.«
»Gefühlsduselei. Kommen wir zur Sache. Was haben Sie bei der Vernehmung in Wildungsmauer verschwiegen?«
»Ich habe zuerst gefragt. Wer war der Tote?«
Erst als sich Bergmann auf das Spiel einließ, begriff Albin, wie gefährlich es werden konnte. »Also gut«, sagte der Chefinspektor. »Ich kann Ihnen allerdings nur Dinge sagen, die Sie mit etwas Mühe auch selbst herausfinden würden.«
Albin nickte unbehaglich.
»Der Tote war Werbetexter bei ID-Kommunikation. Kennen Sie die noble Agentur hinter dem Parlament? Er war Single, hatte nur ein paar lose Beziehungen und offenbar eine Vorliebe für Schwarz. Er bewohnte hundertdreißig geschmackvoll möblierte Quadratmeter in der Siebensterngasse und trug Lederschuhe, bei denen jedes Paar so viel kostet, wie ich für eine Woche Sommerfrische ausgebe.«
Albin fragte sich, mit wem der Chefinspektor in die Sommerfrische fuhr. »Das hätte ich auch ohne Mühe herausgefunden«, sagte er laut.
»Sie sind unbescheiden.«
»Sie sagten etwas von losen Beziehungen.«
»Wir haben mit einem ehemaligen Arbeitskollegen namens Ralf Stern, einem privaten Freund namens Frank Gregoritsch und einer gewissen Hanna Goldmann gesprochen.«
»Was haben die Leute erzählt?«
Bergmann steckte sich eine Golden Smart an. »Sie können selbst mit ihnen reden. Schließlich besitzen Sie einen Presseausweis. Wenn Sie von mir mehr wissen wollen, müssen Sie zuerst Ihre Karten auf den Tisch legen.«
»Sie haben mir noch nicht gesagt, warum Sie zuständig sind.«
»Es wurde eine Sonderkommission gebildet.«
»Bestehend aus wem?«
»Aus Wienern und Niederösterreichern eben.«
»Warum das?«
»Zuerst Sie.«
»Ich wurde gestern nicht nach dem Ring befragt«, sagte Albin.
Er wollte den Bluff nicht einfach eingestehen. Er wollte so tun, als hätte er die Sache mit dem Ring tatsächlich für eine Neuigkeit gehalten. Vielleicht konnte er sich dem Zorn des Chefinspektors so entziehen.
»Weiter«, sagte der mit undeutbarer Miene.
»Als ich den Toten fand, lag der Ring unter ihm im Kies.«
»Und?«
»Er gehörte nicht dem Toten.«
»Warum nicht?«
»Weil Männer selten goldene Frauenringe mit kleinen Smaragden tragen.«
Bergmanns Miene blieb verschlossen. Er deutete auf seine Teetasse. »Wissen Sie, was das Schöne am Teetrinken ist?«, fragte er den verdatterten Albin. »Es ist die Beziehung, die sie zu der heißen Tasse aufbauen. Sie treten in einen inneren Kontakt mit ihr und spüren nun ohne Berührung, wie sie sich allmählich abkühlt und die Temperatur die Bandbreite der Trinkbarkeit erreicht. Es kommt nicht darauf an, den Tee wirklich zu trinken. Es ist wie beim Sex. Es geht um die Spannung und die Phantasie. Das macht die Lust aus.«
Albin fragte sich, mit wem der Chefinspektor Sex ohne Berührung hatte und was aus seinem weichen Zug im Lustmoment wurde.
»Sie werden uns beim Anfertigen einer Zeichnung von dem Ring helfen«, sagte Bergmann unvermittelt.
»Wozu?«
»Mit dem Bild gehen wir zu den Juwelieren.«
»Warum machen Sie nicht einfach ein Foto davon?«
»Wir haben keinen Ring gefunden.«
»Keinen Ring …?«
»Wenn Sie dachten, wir hätten ihn gefunden, wieso wollten Sie mich jetzt damit überraschen?«
Albin verzog das Gesicht. »Ich war nicht sicher … Wie kann dieser Ring verschwunden sein?«
»Vielleicht ist der Mörder zurückgekommen, vielleicht hat ihn ein Passant geklaut, vielleicht haben ihn diese Dilettanten von Gendarmen in den Kies getreten.«
»Dann habe ich Ihnen also geholfen. Kommen wir zu Ihrem Teil unserer Vereinbarung.«
»Geholfen? Sie wollten mich austricksen. Sie haben ohne Geld in der Tasche ein Geschäft gemacht und Glück gehabt. Das ist alles.«
»Trotzdem gilt das
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