Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Rot wie das Meer

Titel: Rot wie das Meer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie Stiefvater
Vom Netzwerk:
für mich immer noch unerreichbar. »Wer außer mir würde ihn nach heute Morgen denn noch freiwillig anfassen?«
    »Sie haben alle schon mal jemanden getötet.«
    »Aber nicht alle haben schon mal jemanden getötet, während Ihr Sohn auf ihrem Rücken saß.«
    Sein Blick ist so scharf wie Glassplitter. »Nennen Sie einen Preis.«
    »Zweihundert.« Das ist immer noch viel Geld, aber machbar. Gerade so. Und nur, wenn ich meinen Anteil der diesjährigen Gewinnsumme schon zu meinen Ersparnissen rechne.
    »Das ist der Moment, in dem ich mich verabschiede, Mr Kendrick.« Aber er geht nicht. Ich stehe da und warte. Plötzlich wird mir bewusst, dass es in der Hotellobby still geworden ist. Und mir wird bewusst,
    dass genau das der Grund ist, warum wir uns nicht im Teehaus getroffen haben oder im Stall oder in seinem Büro. Hier ist unser Gespräch die beste Werbung, die Malvern sich nur wünschen kann. Sein Name wird in aller Munde sein.
    Malvern stößt die Luft aus. »Zweihundert. Ich wünsche Ihnen viel Vergnügen bei dem Rennen, meine Herren.«
    Er vergräbt wieder die Hände in den Taschen und marschiert davon. Calvert hält ihm die Tür auf und lässt einen Strahl leuchtend roten Nachmittagslichts herein.
    Ich muss gewinnen.

44
    Puck »Kate, du verstehst doch, dass dich keinerlei Schuld trifft?«
    Pfarrer Mooneyham klingt ein wenig erschöpft, aber so scheint er immer zu klingen, wenn ich zur Beichte komme. Ich streiche den Stoff meiner Bluse in meinem Schoß glatt. In der Kirche wollte ich keine Hose tragen, aber mich in einem Kleid auf Doves Rücken zu setzen, kam auch nicht infrage, also habe ich mir kurzerhand eine lange Hemdbluse über die Hose gezogen. Ein ziemlich guter Kompromiss, wie ich finde.
    »Aber ich fühle mich schuldig. Ich war die Letzte, die seine Hand gehalten hat. Und als ich sie losgelassen habe, war er tot.«
    »Er wäre ganz sicher auch so gestorben.«
    »Vielleicht ja nicht. Was, wenn ich geblieben wäre und seine Hand gehalten hätte? Das werde ich nie erfahren. Ich werde es mich immer fragen müssen.«
    Ich starre auf das leuchtend helle Buntglasfenster über dem Altar. Von dem etwas erhöht liegenden Beichtstuhl aus kann ich den gesamten Rest des Kirchenschiffs überblicken. Wie es scheint, hat es die St.-Columba-Kirche schon gegeben, lange bevor man auch nur von Beichte, Priestern oder auch Sünden gehört hatte, denn der Beichtstuhl wurde erst sehr viel später hinzugefügt. Er ist zum Rest der Kirche hin offen und nur zwischen Beichtendem und Priester befindet sich ein Vorhang, der völlig unsinnig ist, weil Pfarrer Mooneyham den Sünder sowieso durch die Reihen von Kirchenbänken auf sich zukommen sieht. Außerdem kennt Pfarrer Mooneyham die Stimmen
    aller Inselbewohner, also würde er, selbst wenn er blind wäre, wissen, wer sich was hat zuschulden kommen lassen. Der einzige Vorteil dieses Vorhangs ist der, dass man sich ohne geweihtes Publikum in der Nase bohren kann, und davon hat zumindest Joseph Beringer schon zur Genüge Gebrauch gemacht.
    Jetzt ist die Stimme des Pfarrers ein wenig tadelnd. »Das klingt mir nun mehr nach Selbstüberschätzung, Kate. Du gestehst deiner eigenen Hand eine Menge Kraft zu.«
    »Sie sagen doch selbst immer, dass Gott durch unsere Taten wirkt. Vielleicht wollte er ja, dass ich bleibe und weiter seine Hand halte.«
    Einen Moment herrscht Schweigen auf der anderen Seite des Vorhangs. »Nicht jedermanns Hand kann immerzu vom Willen des Herrn gelenkt sein. Sonst hätten wir wohl Angst, überhaupt noch etwas zu berühren. Hast du dich dazu berufen gefühlt, an seiner Seite zu bleiben? Nein? Dann leg deine Schuld ab.«
    Bei ihm klingt es, als wäre meine Schuld etwas, was ich in Wachspapier einschlagen und für Puffin vor die Tür legen kann. Ich sinke in meinem Sitz zurück und blicke an die Decke der Kirche.
    »Außerdem bin ich furchtbar wütend auf meinen Bruder«, sage ich dann. »Zorn ist doch eine Sünde, oder nicht?« Gleichzeitig fällt mir ein, dass Gott die Leute in der Bibel auch oft seinen gerechten Zorn hat spüren lassen, und das schien schließlich in Ordnung zu sein. Auch meine Wut auf Gabe fühlt sich ein kleines bisschen gerecht an, also ist sie vielleicht gar keine Sünde.
    »Warum bist du wütend auf ihn?«
    Ich wische mir eine Träne von der Wange. Eine ziemlich hinterhältige Träne, die ich nicht habe kommen sehen. »Weil er uns hier alleinlässt und noch nicht mal einen guten Grund dafür hat. Ich kann nichts dagegen tun.«
    Pfarrer

Weitere Kostenlose Bücher