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Rot wie das Meer

Titel: Rot wie das Meer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie Stiefvater
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auch nicht wie das Pferd am Strand – und auf eine hübsche Art zerzaust, die mir für meinen eigenen Schopf auch ein bisschen Hoffnung gibt. »Guten Morgen. Nur einen Moment, wenn du nichts dagegen hast, dann bin ich auch schon wieder weg.«
    Ziemlich clever von ihr, es so zu formulieren anstatt als Frage. So hat sie den Moment quasi beschlagnahmt und ich müsste ihr schon widersprechen, um ihn zurückzubekommen. Ich nehme mir vor, mir diesen Trick für die Zukunft zu merken.
    »In Ordnung«, sage ich und dann, obwohl es mir schwerfällt, weil die Küche aussieht, als hätte sich darin eine Bande Feen die halbe Nacht in schwarzer Magie geübt, füge ich hinzu: »Möchten Sie vielleicht eine Tasse Tee?«
    »Ich kann Pfarrer Mooneyham nicht so lange warten lassen«, erwidert Peg knapp. »Er war schon so nett, mich herzufahren.«
    Das ist natürlich nicht die Wahrheit, weil es ganz offensichtlich umgekehrt war. Ich mustere sie argwöhnisch. Der Anblick des roten Autos erinnert mich daran, dass ich schon sehr lange nicht mehr bei der Beichte war, obwohl ich eine ganze Menge zu beichten hätte. Es ist kein angenehmes Gefühl.
    Jetzt zögert Peg. Sie sieht sich im Hof um. Er wirkt ziemlich jämmerlich. Sooft ich auch die größten Unkrautbüschel am Zaun und an
    der Hauswand auszupfe, es sind noch immer allerhand dunkel beblätterte Eindringlinge übrig. Richtiges Gras ist fast nirgends zu sehen, nur Matsch. Ich sollte Finn bitten, die Schubkarre zu reparieren, die vor Erschöpfung zusammengebrochen in einer Ecke des Hofs liegt. Aber Pegs Blick bleibt nicht an der allgemeinen Unordnung hängen, sondern an meinem Sattel, den ich gleich neben meinem Putzzeug über den Zaun gelegt habe. Und an der Karfeedose voll Hafer in meiner Hand.
    »Mein Mann und ich haben gestern Abend noch über dich geredet, bevor wir ins Bett gegangen sind«, sagt sie und aus irgendeinem Grund fühle ich mich seltsam bei der Vorstellung, wie sie und der rotgesichtige Thomas Gratton zusammen im Bett liegen. Und dass sie dann auch noch ausgerechnet über mich reden. Ich frage mich, worüber sie wohl sonst so reden, wenn nicht über mich. Das Wetter wahrscheinlich oder den Preis von Kürbissen oder warum Touristen bei Regen immer weiße Schuhe tragen. Ich glaube, wenn ich einen Mann hätte, der Fleischer ist, würde ich mit ihm über so etwas reden. Peg fährt fort: »Und er schien der Meinung zu sein, du würdest vielleicht gar kein Capaill Uisce reiten wollen. Ich habe gesagt, nein, das kann nicht sein. Deine Entscheidung, bei dem Rennen mitzureiten, ist ja an sich schon abenteuerlich genug, ohne es noch komplizierter zu machen.«
    »Und was hat er gesagt?«
    »Er meinte sich zu erinnern«, erwidert Peg mit einem Blick auf Doves schlammverkrusteten Schweif, »dass die Connollys immer eine kleine Falbstute namens Dove gehabt hätten, und da fiel mir ein, dass das der Name sein könnte, den du mich auf die Tafel hast schreiben lassen.«
    Ich halte die Kaffeedose mit dem Futter ganz still. »Stimmt«, sage ich. »Beides stimmt.«
    »Ich dachte es mir schon. Darum habe ich ihm versprochen, heute zu euch rauszufahren, um dich davon abzubringen.« Sie sieht aus, als wäre sie alles andere als begeistert von dieser Aufgabe. Wahrscheinlich klingt so ein Unterfangen wesentlich angenehmer, solange man mit seinem rotgesichtigen Ehemann im Bett liegt, bevor man dann an einem kalten, nebligen Morgen der Realität – also mir – ins Auge sehen muss.
    »Jetzt habe ich ein ganz schlechtes Gewissen, dass Sie extra hier rausgefahren sind«, entgegne ich, obwohl es nicht stimmt und ich es eigentlich nicht gewohnt bin, schon vor dem Frühstück zu lügen. »Denn ich lasse mich nicht davon abbringen.«
    Sie stemmt eine Hand in die Hüfte und presst die andere in das lockige Haar an ihrem Hinterkopf. Die Geste wirkt dermaßen frustriert, dass ich mich nun fast doch schlecht fühle, weil ich der Grund dafür bin. »Geht es ums Geld?«, fragt sie schließlich.
    Ich weiß nicht, ob ich beleidigt sein soll oder nicht. Ich meine, ja, natürlich brauchen wir das Geld, aber ich müsste doch der größte Dummkopf der Insel sein, um zu glauben, dass ich gegen diese Riesenpferde eine Chance hätte.
    Bei dem Gedanken verspüre ich ein Kribbeln auf der Kopfhaut und ich muss mir zerknirscht eingestehen, dass ein winziger, winziger Teil von mir, so klein, dass er sich in einer Teetasse auflösen oder beim Laufen eine Blase am Fuß verursachen könnte, tatsächlich von dieser

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