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Rot wie das Meer

Titel: Rot wie das Meer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie Stiefvater
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den Strand und versuche, die Quelle des Geräuschs auszumachen. Es ist keine von meinen Stuten, auch nicht die Gescheckte. Es muss eins von den Pferden innerhalb der Menge sein, aber in dem Klang liegt eine Schärfe, die mich aufhorchen lässt. Der Wind singt von Gefahr, das Echo hallt von den kargen weißen Felsen. Es sind zu viele Reiter am Strand, die sich etwas beweisen wollen, die trainieren wollen, schneller werden. Sie haben noch nicht begriffen, dass nicht unbedingt der Schnellste es bis zum Tag des Rennens schafft.
    Man muss nur der Schnellste von denen sein, die übrig sind.
    Plötzlich ertönt ein Schrei, gefolgt von einem schrecklich kreischenden Wiehern, und als ich mich umdrehe, sehe ich gerade noch, wie Jimmy Blackwell sich von seinem Schimmelhengst wirft, der in die schäumenden Wellen springt. Blackwell kann sich im letzten Moment
    zur Seite rollen, als zwei weitere durchgehende Uisce -Stuten an ihm vorbeipreschen. Er ist erfahrener, geschickter. Er hat bereits ein halbes Dutzend Skorpio-Rennen überlebt.
    »Und du dachtest, diese Stute hier würde uns Ärger machen«, bemerkt Gorry. Er lacht.
    Ich höre ihm mit einem Ohr zu, während ich weiter das Geschehen beobachte. Blackwell ist noch immer dabei, sich vor den kämpfenden Stuten in Sicherheit zu bringen. Es ist bloß eine harmlose Kabbelei unter Raubtieren, aber sie scheinen aus nichts anderem mehr als Zähnen und Hufen zu bestehen. Einer der Männer versucht, die beiden zu trennen, aber er ist zu zögerlich. Zähne schnappen zu und im nächsten Augenblick sind seine Finger verschwunden. Jemand schreit »Hey!« und sonst nichts, als habe er das Gefühl gehabt, etwas sagen zu müssen, ohne zu wissen, was.
    Meine Augen wandern an all dem vorbei zum Wasser, wo Black-wells Hengst sich mittlerweile halb laufend, halb schwimmend fortbewegt. Das Wasser schäumt weiß unter seinem Körper. Sein Blick liegt auf dem Pony und dem Mädchen auf dessen Rücken.
    Ich höre einen Schrei, den ich zuerst für ein wortloses Heulen halte, dann aber erkenne ich meinen Namen. »Wo ist Kendrick?«
    Jemand wird sterben.
    Ich lege meine Tasche am Fuß der Klippen ab, wo sie nicht im Weg ist, und renne los, meine Fersen graben sich tief in den Sand. Ich kann nicht an zwei Orten gleichzeitig sein und bei dem Kampf am Strand kann ich nichts ausrichten. Das Pony steht bis zur Brust im Wasser und der weißgraue Hengst hebt sich vor ihm auf die Hinterbeine. Seine Hufe wirbeln durch die Luft auf das Mädchen zu. Das Mädchen reißt die Stute zur Seite, wodurch es sie beide zwar vor den Hufen rettet, aber selbst im eisigen Wasser landet.
    Genau darauf hat das Capaill Uisce, ein fahler Pegasus mit Flügeln aus stiebender Gischt, gewartet. Seine Zähne blitzen auf, die Farbe toter Korallen, und sein gigantischer Kopf kracht gegen das Mädchen, gerade als es wieder an die Oberfläche kommt. Zähne verbeißen sich
    in ihren Kapuzenpullover; Beinmuskeln spannen sich an vor dem letzten großen Angriff. Ich bin im Wasser, die Finger taub vor Kälte, ich schwimme durch die mörderische See auf den Hengst zu, komme quälend langsam von der Stelle. Das Mädchen geht immer wieder unter und kämpft sich wieder hoch.
    Ich ziehe mich an den im Wasser wallenden Strähnen seines Schweifs zu ihm heran. Mit einem Satz bin ich auf seinem Rücken, greife in seine Mähne und beuge mich tief über seinen Hals. Ich habe keine Zeit, seine Venen mit Eisen nachzufahren oder ihn gegen den Uhrzeigersinn im Kreis zu drängen. Er ist jenseits von allem, was ich ihm ins Ohr flüstern könnte. Ich kann nur noch eine Handvoll tödlich roter Ilexbeeren aus der Jackentasche ziehen und sie ihm in die aufgeblähten Nüstern pressen.
    Seine mächtigen Beine peitschen unkontrolliert das Wasser auf und ich sehe, wie einer seiner Hufe mit dem Kopf des Mädchens kollidiert. Ich kann jedoch nicht sehen, ob sie über Wasser bleibt, denn der Hengst hat angefangen zu schnauben. Seetang, Schleim und Korallensplitter stieben zusammen mit den roten Beeren aus seinen Nüstern, und während er noch erbittert gegen das Ertrinken ankämpft, kostet es mich all meine Kraft, nicht mit ihm unterzugehen.
    Das weit geöffnete Maul des Hengstes schwingt in meine Richtung und plötzlich, als wäre die Zeit zum Stillstand gekommen, sehe ich gestochen scharf die drahtigen Haare an seinem Kiefer und das Salzwasser, das von ihnen abperlt.
    Dann explodiert die Welt vor meinen Augen in tausend Farben, keine davon ist die des Himmels.
    Kurz

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