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Rot wie das Meer

Titel: Rot wie das Meer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie Stiefvater
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immer nervös und gereizt und ich glaube nicht, dass sie ihr Heu anrühren wird, wenn ich nicht bei ihr bleibe. Und Finn ist überzeugt, dass der Sturm uns sowieso bald ein paar Tage im Haus halten wird, darum sollten wir so viel wie möglich draußen sein, solange wir noch können. Außerdem hat Mum uns immer zum Picknicken geschickt, wenn wir mal wieder zu wild und laut waren, und so weckt das Ganze auch noch tröstliche Erinnerungen.
    Natürlich wird es ziemlich schnell dunkel und es nieselt mal mehr und mal weniger, aber unter dem Unterstand ist es trocken und eine elektrische Laterne spendet ein wenig Licht, sodass wir zumindest die Suppe erkennen können, die wir essen. Ich schneide einen der billigen Heuballen auf, den wir uns anstelle einer Decke über die Beine legen, dann lehnen wir uns zurück an die Wand. Finn, der meine trüben Gedanken zu spüren scheint, stößt seine Schüssel gegen meine, wie um mir zuzuprosten. Dove steht zur Hälfte unter dem Dach und zur Hälfte draußen und knabbert an ihrem Heu. Ich kann den Kratzer in ihrem Nacken von hier aus deutlich sehen und höre immer wieder meinen schrillen Schrei oben auf der Klippe. Ich muss ständig daran denken, was wohl passiert wäre, wenn ich gegen sie angetreten wäre, wie sie es wollten. Ich bekomme ihre Gesichter, als sie ihre Pferde von Dove wegtrieben, einfach nicht aus dem Kopf.
    Ein paar Minuten lang schweigen wir beide, schlürfen Brühe mit Kartoffelstücken und lauschen dem Mahlen von Doves Zähnen, als
    sie ihr teures Heu frisst, während der Regen sanft auf dem Metalldach flüstert. Finn häuft sich noch mehr Heu als Wärmeisolierung auf die Beine. Draußen verfärbt sich der Himmel blaubraun und schwarz an den Rändern.
    »Sie sieht schon viel schneller aus«, bemerkt Finn. Um mich zu ärgern, schlürft er besonders geräuschvoll den Rest seiner Suppe und lässt zur Sicherheit auch noch einen lauten Schmatzer folgen.
    Ich stelle meine Schale auf den Heuballen hinter mir und nehme mir ein Stück Brot. Mein Magen fühlt sich noch immer leer an. »Kannst du dieses liebliche Geräusch da vielleicht noch mal wiederholen? Ich glaube, ich hab gerade nicht richtig zugehört.«
    »Mann, hast du schlechte Laune«, sagt Finn.
    Mir fallen drei Sachen ein, die ich darauf antworten könnte, aber am Ende schüttele ich bloß den Kopf. Wenn ich es laut ausspreche, wird das Ganze nur noch schwerer zu vergessen sein.
    Finn ist selbst verschwiegen genug, um nicht nachzubohren. Er verteilt das Heu von Neuem als dicke Schicht auf seinen Beinen und versucht, es gleichmäßig glatt zu drücken. Nach einem langen Moment der Stille sagt er schließlich: »Was meinst du, was passiert?«
    »Passiert?«
    »Na, bei dem Rennen. Und wie es mit Gabe weitergeht. Mit uns.«
    Missmutig werfe ich einen Heuhalm in Doves Richtung. »Dove frisst ihr teures Futter und die Capaill Uisce ihre Rinderleber und alle Wetten stehen gegen uns, aber am Tag des Rennens wird es warm und nur ein kleines bisschen windig sein und Dove läuft geradeaus, während alle anderen nach rechts driften, und dann sind wir die reichsten Leute auf der ganzen Insel. Du kannst drei Autos auf einmal fahren und Gabe beschließt hierzubleiben und wir müssen nie wieder Bohnen essen.«
    »Nein, nicht das«, sagt Finn, als hätte er mich gebeten, ihm eine Geschichte zu erzählen, und ich hätte die falsche ausgesucht. »Was wirklich passieren wird.«
    »Ich bin doch keine Wahrsagerin.«
    »Was ist, wenn du nicht gewinnst? Ich will ja nichts Schlechtes über Dove sagen. Aber was ist, wenn sie kein bisschen Geld einbringt?«
    Ich werfe ihm einen Blick zu, um zu sehen, ob er schon wieder an seinen Armen knibbelt, aber er zerrupft lediglich ein Büschel Heu. »Dann verlieren wir das Haus. Benjamin Malvern will uns rauswerfen.«
    Finn nickt und starrt auf seine Hände, als habe er sich so etwas schon gedacht. Gabe hat uns alle beide unterschätzt.
    »Und dann werde ich wahrscheinlich ...« Ich versuche mir vorzustellen, wie es wäre, wenn ich verlieren würde. »Dann werde ich Dove verkaufen müssen. Und wir müssten uns eine neue Bleibe suchen. Wenn wir uns Arbeit suchen, ist vielleicht auch eine Unterkunft mit dabei, zum Beispiel als... Hausangestellte. Oder in der Fabrik. In der Fabrik könnten wir auch wohnen.«
    Niemand wünscht sich ein Leben in der Fabrik.
    Ich versuche, mir etwas Neues auszumalen, was realistisch, aber nicht ganz so düster klingt. »Gratton hat gesagt, er würde dich gern als Lehrling

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