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Rot wie das Meer

Titel: Rot wie das Meer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie Stiefvater
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Automotor klingt. Der Wind zupft an Doves Heu. Auf der anderen Seite der Wand herrscht Stille.
    Dove hebt ruckartig den Kopf.
    Um die Ecke des Unterstands lugt ein langes schwarzes Gesicht.
    Es ist der Teufel.
    Es kostet mich alle Kraft, ein Wimmern zu unterdrücken. Die Kreatur ist so schwarz wie Torf in einer mondlosen Nacht und ihre Lippen sind zu einem furchterregenden Grinsen zurückgezogen, das weniger an ein Pferd erinnert als vielmehr an die Fratze eines Dämons. Die Ohren sind lang und bösartig aufeinander zugebogen. Sie sehen aus wie die Eikapseln eines Haifischs. Die Nüstern sind länglich und schmal, um das Meerwasser am Eindringen zu hindern. Die Augen schwarz und glänzend: Fischaugen.
    Es stinkt nach dem Ozean. Nach Ebbe und Dingen, die sich zwischen den Felsen verfangen haben. Es hat nicht viel von einem Pferd.
    Aber es hat Hunger.
    Das Capaill Uisce hat seinen Kopf um die Ecke des Unterstands, über den Zaun, gehakt. Alles, was uns von ihm und seinem furchtbaren Grinsen trennt, sind drei Latten, die ich selbst unter Mums Anleitung angenagelt habe. Drei Nägel, nicht zwei, pro Latte, beharrte Mum, denn Ponys stellen gern alles auf die Probe.
    Und jetzt drängt dieses nachtschwarze Pferd seine Brust dagegen. Nicht fest. Nur so fest, wie es auch seine Schnauze gegen die Wand des Unterstands gestupst hat.
    Die Nägel geben ein Knarzen von sich.
    Ich höre mein Herz oder Finns oder alle beide und es hämmert so schnell, dass ich kaum atmen kann. Meine Hände sind über dem Heu zu Fäusten geballt und meine Fingernägel graben sich in meine Handflächen.
    Wir sind versteckt, du kannst uns nicht sehen, geh weg.
    Dove steht reglos da.
    Das Capaill blickt sie an und öffnet das Maul und dann stößt es einen Laut aus, der mir das Blut in den Adern gefrieren lässt. Es ist ein lang gezogener, zischender Laut mit einer Art Schnalzen darunter, das von irgendwo tief aus seiner Kehle empordringt: Kaaaaaaaaaaahh.
    Dove hat die Ohren flach an den Kopf gelegt und rührt sich nicht. Wie oft hat man uns eingetrichtert, dass Capaill Uisce auf Bewegungen reagieren? Dass selbst die kleinste Regung deinen Tod bedeuten kann?
    Dove ist eine Statue.
    Das Capaill Uisce drängt sich wieder gegen den Zaun. Die Latten knarzen lauter.
    Finn stößt einen winzigen Seufzer aus. Er ist so leise, dass nur ich ihn gehört haben kann, und nur, weil ich so ziemlich jedes Geräusch kenne, das meine beiden Brüder von sich geben können. Es ist ein dünner, verängstigter kleiner Laut, den ich schon sehr lange nicht mehr von ihm gehört habe.
    Dann ertönt ein Heulen.
    Es kommt von irgendwoher draußen auf der Weide. Dove und das Capaill Uisce drehen beide ihre Ohren in die Richtung.
    Das Heulen erhebt sich ein zweites Mal und in meinem Magen tut sich ein bodenloser Abgrund auf. Sie sind zu zweit, denke ich, das andere Tier hat den Zaun auf der gegenüberliegenden Seite niedergedrückt, es ist mit uns auf der Koppel, ohne auch nur drei Nägel pro Latte, die uns vor ihm schützen.
    Wieder bewegt das schwarze Monster seine absonderlich langen Ohren.
    Dann wieder ein Schrei. Er klingt ein bisschen wie das Weinen eines Säuglings und dann erkenne ich, wie sich Finns Mund bewegt. Er ist alles, was ich überhaupt von ihm sehe.
    Seine Lippen formen übertrieben deutlich zwei Silben: Puf-fin.
    Wieder das Geräusch und diesmal erkenne auch ich es auf Anhieb. Puffin, die Hofkatze, die, stets auf der Suche nach Finn, von einem ihrer Streifzüge zurückgekehrt ist und von unserem Lichtschein angelockt wurde. Sie lässt erneut ihr babyartiges Miauen ertönen, mit dem sie nach ihm ruft. Wenn Finn gute Laune hat, erwidert er den Laut manchmal und sie benutzt ihn dann zur Orientierung wie ein Leuchtfeuer in der Dunkelheit.
    Ihr Schrei klingt jetzt näher und das Capaill Uisce löst sein Gewicht von den Zaunlatten.
    Im grauen Licht des Nebels, den der Regen vom Boden aufsteigen lässt, formt sich schließlich Puffins Umriss, als sie auf uns zugetrottet kommt, den Schwanz zu einem Fragezeichen gebogen. Mau?, fragt sie.
    Das Grinsen des Capaill Uisce verschwindet.
    Puffin sieht das Capaill Uisce erst, als es sich bewegt. Der Zaun zerreißt wie Papier und die Latten bersten mit einem Krachen, als würde die Welt untergehen.
    Puffin schießt davon und das Capaill Uisce stürzt ihr hinterher, sein Hunger entfacht durch die Jagd. Sie verschwinden im Nebel und das Letzte, was ich höre, ist hektisches Hufgetrappel und dann Puffins Schrei.
    Finn schlägt sich

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