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Rot wie das Meer

Titel: Rot wie das Meer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie Stiefvater
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könnte euch doch auch auf ihr hinterherreiten«, schlage ich vor.
    Gabes Stimme macht deutlich, dass er sich auf keine Diskussion einlassen wird. »Du steigst nicht aus diesem Auto, bis wir in Sicherheit sind.«
    Dann herrscht wieder Schweigen und draußen ist nichts zu sehen als Nacht, Steinmauern und Regen.
    »Finn«, sagt Gabe nach einer Weile, die Stimme ein wenig erhoben, damit man ihn über den Motorenlärm hinweg hört. »Dieser Sturm, der da aufzieht – wie lange wird er anhalten?«
    Finns Augen leuchten auf und er freut sich so sehr, gefragt worden zu sein, dass es mir einen schmerzhaften Stich versetzt. »Nur heute Nacht und morgen.«
    Gabe blickt Tommy an. »Einen Tag. Das ist nicht lange.«
    »Lange genug«, erwidert Tommy.

38
    Puck Tommy Falk fährt uns zum Haus der Grattons, das irgendwo in der Nähe von Hastoway liegen muss, obwohl ich nicht genau sagen kann, wo, weil bei dem Sprühregen und im bleichen Gelb der Scheinwerfer alles gleich aussieht. Beech empfängt uns vor dem Haus, die Schultern gegen den Wind hochgezogen, und zeigt mir, wo ich Dove unterstellen kann. Er schwenkt seine Taschenlampe und ich erkenne, dass wir uns in einem kleinen Stall ohne elektrisches Licht mit vier Boxen und niedriger Decke befinden. Eine der Boxen wird von ein paar nassen Ziegen bewohnt, eine andere von Hühnern und in der dritten steht ein stämmiger weißer Wallach, der seinen Kopf aus dem oberen, offenen Teil seiner Boxtür streckt, als Dove hereinkommt. Die legt die Ohren an wie zu einem feindseligen Gruß, aber ich führe sie trotzdem in die Box neben ihm. Ich würde gern noch ein bisschen mehr Zeit mit ihr verbringen, aber da Beech die ganze Zeit dabeisteht und mir mit seiner Taschenlampe leuchtet, wäre das wahrscheinlich nicht sehr höflich. Also tätschele ich ihr nur den Hals und bedanke mich dann bei Beech. Er grunzt etwas und deutet mit seiner Taschenlampe zum Haus.
    Drinnen plaudern Gabe und Peg Gratton miteinander, während Tommy Falk unter den Deckel eines Topfes späht, der auf dem Herd steht. Finn sehe ich nirgends.
    Die Küche wirkt wie ein genaues Abbild der Fleischerei. Trotz der Dunkelheit draußen verströmen die weiß getünchten Wände, an denen Töpfe und Messer hängen, eine beinahe blendende Helligkeit. Nicht einmal der von schmutzigen Fußspuren übersäte Fliesenboden
    vermag den reinen weißen Eindruck zu trüben. In einem halben Dutzend Regalen liegt allerlei Kram herum, aber es ist vollkommen anderer Kram als bei uns zu Hause: grob geschnitzte Holzfiguren, die Pferde oder Rehe darstellen sollen, ein kleiner Grasbesen, zusammengehalten durch ein rotes Band, ein Stück Kalkstein mit dem Namen PEG darauf. Keine Spur von den bemalten Glasfiguren oder Landschaften mit Schafen und fröhlichen Frauen darin, wie Mum sie so gemocht hat. Kram, aber kein Nippes. Der ganze Raum ist vom herrlichen, durchdringenden Geruch dessen erfüllt, was dort auf dem Herd vor sich hin köchelt.
    »Sie bekommen dein Zimmer«, sagt Peg zu Beech, sobald er den Raum betritt. Jetzt, im Licht, fällt mir auf, dass Beech zu einem rotge-sichtigen Hünen herangewachsen ist, der eindeutig nach seinem Vater kommt. Er sieht ein bisschen aus, als sei er aus Holz geschnitzt, und da Holz eher unflexibel ist, dauert es einen Moment, bis sein Gesichtsausdruck sich ändert. Zu etwas nicht sonderlich Begeistertem.
    »Tun sie nicht«, erwidert Beech.
    »Und wo sollen sie deiner Meinung nach dann schlafen?«, fragt Peg Gratton. Es ist eigenartig, sie in dieser Rolle zu sehen – nicht in der Fleischerei als jemand, der einem das Herz herausschneiden kann, nicht auf unserem Hof, um mir auszureden, das Rennen zu reiten, und nicht mit ihrem Kopfputz, während sie mir mit einem Messer den Finger aufritzt. Sie wirkt irgendwie kleiner, ordentlicher, obwohl ihr rotbraunes Haar so kraus ist wie eh und je. Verblüfft verfolge ich, wie vertraut sie und Beech und Gabe darüber debattieren, wer wo schlafen soll, und mir wird klar, dass Gabe einen Teil der Zeit, die er nicht bei uns war, hier verbracht haben muss. Vielleicht sogar einen ziemlich großen. Ich beginne zu verstehen, dass wir hierhergekommen sind, weil Gabe sich hier sicher fühlt. Es ist ein seltsames, trauriges Gefühl, so als hätte er uns gegen eine andere Familie eingetauscht.
    »Wo ist Finn?«, frage ich dazwischen.
    »Hände waschen, wo sonst?«, antwortet Gabe. »Kann sich nur noch um Stunden handeln.«
    Auch das kommt mir eigenartig vor, wie er völlig offen über Finns

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