Rot wie die Liebe
er und zog rasch die Vorhänge zu.
Im Zimmer wurde es dunkel. Ohne nachzudenken, wies Hoyt auf einen Kerzenleuchter, und die Kerzen flammten auf.
»Das ist praktisch«, meinte Cian. »Ich bin im Anzünden ein bisschen aus der Übung.«
»Das ist eine grundlegende Fähigkeit, die du auch hättest, wenn du nur ein wenig Zeit und Mühe darauf verwenden würdest.«
»Das ist mir zu langweilig. Ist das Whiskey?« Cian trat auf eine Karaffe zu und schenkte sich ein Glas ein. »Oh, schau mich nicht so missbilligend an«, sagte er zu seinem Bruder und trank einen Schluck. »Vergiss nicht, für mich ist der Tag zu Ende.«
Er blickte sich um. »Hier riecht es nach Frau. Frauen wie Glenna lassen immer etwas zurück, damit der Mann an sie denkt.« Er ließ sich in einen Sessel fallen und streckte die Beine aus. »Nun, was musst du denn unbedingt mit mir besprechen?«
»Es gab eine Zeit, da hast du meine Gesellschaft geradezu gesucht.«
Cian zuckte gleichgültig mit den Schultern. »Wenn man sich neunhundert Jahre lang nicht sieht, wird die Zuneigung vermutlich nicht größer.«
Eine Spur von Bedauern glitt über Hoyts Gesicht, aber er wandte sich ab, um das Kaminfeuer zu schüren. »Wollen wir uns wieder streiten?«
»Das liegt an dir!«
»Ich wollte mit dir unter vier Augen über das sprechen, was du mit dem Gefangenen gemacht hast.«
»Ja, ja, ich hätte ihm den Kopf tätscheln sollen, damit man ihn vor Gericht stellen kann. Ich hätte die verdammte Genfer Konvention beachten müssen. Das ist doch Unsinn!«
»Ich weiß nichts von einer Konvention, aber in einer solchen Angelegenheit kann es in so kurzer Zeit gar keinen Gerichtsprozess geben. Das behaupte ich doch gar nicht, du Blödmann. Ich hätte nicht anders gehandelt als du – aber ich hätte es nicht so öffentlich gemacht.«
»Ach so, du hättest ihn also erst in ein Verlies werfen lassen und ihm dann ein Messer zwischen die Rippen gesto ßen.« Cian zog die Augenbrauen hoch. »Und das wäre dann in Ordnung gewesen?«
»Nein. Nichts von alledem ist in Ordnung. Das Ganze ist ein verdammter Albtraum, und wir stecken alle darin. Natürlich hast du das getan, was notwendig war. Er hat versucht, Moira zu töten, die ich wie eine meiner Schwestern liebe, und er hat dich mit seinem Pfeil getroffen, und ich hätte genauso gehandelt wie du, wenn du mir nicht zuvorgekommen wärst. Ich habe nie in meinem Leben einen Menschen umgebracht, aber diesen hätte ich getötet.«
Hoyt schwieg, um Luft zu holen und seine Fassung wiederzugewinnen. »Das wollte ich dir sagen, damit du weißt, was ich empfinde. Aber ich hätte mir die Worte wahrscheinlich auch sparen können, da es dir völlig egal zu sein scheint, was ich fühle.«
Cian bewegte sich nicht. Er betrachtete den Whiskey in seinem Glas. »Deine Gefühle sind mir durchaus nicht gleichgültig, auch wenn ich mir manchmal das Gegenteil wünsche. Du hast Dinge in mir aufgewühlt, an die ich mich kaum noch erinnern kann.
Du hast mir die Familie wieder ins Gedächtnis gerufen, Hoyt, als ich längst damit abgeschlossen hatte.«
Hoyt setzte sich in den Sessel gegenüber. »Aber du bist meine Familie.«
Cian blickte ihn ausdruckslos an. »Nein.«
»Vielleicht war das so vom Zeitpunkt deines Todes bis zu dem Moment, als ich dich gefunden habe, aber jetzt bist du wieder da. Und auch wenn es dir nichts bedeutet, sage ich dir doch, dass ich stolz auf dich bin. Ich weiß, dass dir die ganze Angelegenheit schwerer fällt als jedem von uns.«
»Vampire oder Menschen zu töten fällt mir aber anscheinend leichter.«
»Glaubst du, ich sehe nicht, wie dir die meisten Leute hier aus dem Weg gehen? Ich habe auch bemerkt, dass Sinann ihr Kind von dir weggerissen hat, als ob du ihm jeden Moment etwas antun wolltest. Mir entgeht nicht, wie man dich beleidigt.«
»Das spielt keine Rolle. Nein, wirklich nicht«, sagte Cian. »Für mich ist diese Zeitspanne hier ein Fingerschnipsen. Weniger. Wenn sie vorüber ist, gehe ich wieder meiner Wege, falls ich nicht einen Pflock durchs Herz bekomme.«
»Ich hoffe, dass du Glenna und mich von Zeit zu Zeit besuchen kommst.«
»Ja, das kann sein. Ich schaue sie gerne an.« Cian grinste. »Und wer weiß, vielleicht kommt sie ja irgendwann auch zu Verstand und begreift, dass sie sich den falschen Bruder ausgesucht hat. Ich habe Zeit genug.«
»Sie ist verrückt nach mir«, erwiderte Hoyt lässig. Er griff nach dem Whiskeyglas seines Bruders und genehmigte sich selbst einen Schluck.
»Verrückt
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