Rot wie die Liebe
weinend durch die Dunkelheit, den Daumen im Mund.
»Er muss einem Angriff in der Nähe entkommen sein. Weck die Ablösung auf und passt auf. Ich gehe das Kind holen.«
»Wir sollen nach Sonnenuntergang nicht mehr hinausgehen.«
»Wir können doch das Kind nicht dort draußen lassen. Es scheint verletzt zu sein.
Weck die Ablösung auf«, wiederholte Tynan. »Postiert einen Bogenschützen hier am Fenster. Wenn sich draußen außer mir und dem Kind etwas bewegt, zielt aufs Herz.«
Er wartete, bis die Männer bereit waren. Das Kind war zu Boden gesunken. Er sah jetzt deutlich, dass es ein Junge war. Der arme, kleine Kerl jammerte und weinte herzzerreißend.
»Wir könnten es bis zum Tagesanbruch im Auge behalten«, schlug einer der Soldaten vor.
»Haben geallische Männer solche Angst vor der Dunkelheit, dass sie sich drinnen verkriechen, wenn ein Kind blutet und weint?«
Er öffnete die Tür. Er wollte so schnell wie möglich handeln, um das Kind im Haus in Sicherheit zu bringen, zwang sich jedoch, sich langsamer zu bewegen, als der kleine Junge den Kopf hob und ihm voller Entsetzen entgegenblickte.
»Ich tue dir nichts. Ich gehöre zu den Männern der Königin. Ich bringe dich hinein«, sagte Tynan sanft. »Dort ist es warm, und es gibt zu essen.«
Der Junge sprang auf und schrie, als habe Tynan mit einem Schwert nach ihm geschlagen: »Monster! Monster!«
Er begann humpelnd wegzulaufen, und Tynan rannte ihm hinterher. Es war besser, dem Jungen jetzt ein wenig Angst einzujagen, als dass er weglief und damit ein gefundenes Fressen für die Vampire war. Tynan fing ihn ein, als der Junge gerade über die Steinmauer auf das angrenzende Feld klettern wollte.
»Ruhig, ruhig, du bist in Sicherheit.« Der Junge trat schreiend um sich, und Tynans Hüfte begann erneut zu schmerzen. »Wir müssen hineingehen. Es wird dir keiner mehr etwas tun. Niemand …«
Er glaubte etwas zu hören und packte das Kind fester. Gerade wollte er zum Haus zurücklaufen, als er wieder etwas hörte. Dieses Mal kam es von dem Kind in seinen Armen. Es war ein leises, wildes Grollen.
Der Junge grinste schrecklich und fuhr ihm an die Kehle.
Der Schmerz war ungeheuer und zwang Tynan in die Knie. Es ist kein Kind, dachte er, kein Kind, und wehrte sich verzweifelt. Aber der Vampir riss an ihm wie ein Wolf.
Er hörte Schreie, Rufe, das Sirren von Pfeilen, das Klirren von Schwertern. Und das Letzte, was er hörte, war das schreckliche Geräusch seines eigenes Blutes, das gierig geschlürft wurde.
Sie schossen mit Feuerpfeilen, und trotzdem wurde fast die Hälfte von ihnen verwundet oder getötet, ehe die Dämonen zurückwichen.
»Nehmt den da lebend mit.« Lilith wischte sich das Blut von den Lippen. »Ich habe Lora ein Geschenk versprochen.« Sie lächelte auf Davey herunter, der über der Leiche eines getöteten Soldaten hockte. Es erfüllte sie mit Stolz, dass ihr Junge sich so wacker geschlagen hatte.
Daveys Augen glühten rot, und seine Sommersprossen wirkten wie Goldtupfen auf seinen rosigen Wangen.
Sie hob ihn hoch und hielt ihn über den Kopf. »Seht euren Prinzen!«
Die Vampire, die in dem kurzen Kampf nicht vernichtet worden waren, knieten nieder.
Sie drückte Davey an sich und küsste ihn innig auf den Mund.
»Ich will mehr«, sagte er.
»Ja, mein Liebling, du wirst auch mehr bekommen. Sehr bald schon. Werft ihn über ein Pferd«, befahl sie und wies mit einer nachlässigen Geste auf Tynans leblosen Körper. »Ich habe Verwendung für ihn.«
Sie stieg auf und streckte ihre Arme nach Davey aus. Sie rieb die Wange an seinen Haaren und blickte zu Midir herunter.
»Das hast du gut gemacht«, sagte sie zu ihm. »Du kannst dir von den Menschen jemanden aussuchen, zu welchem Zweck auch immer.«
Das Mondlicht schimmerte auf seinen silbernen Haaren, als er sich tief verbeugte.
»Ich danke Euch.«
Moira stand im frischen Wind und beobachtete die Drachen, die mit ihren Reitern über ihr kreisten. Es war ein unglaublicher Anblick, dachte sie. Unter anderen Umständen wäre ihr das Herz aufgegangen. Aber dies hier war kein Schauspiel, es waren militärische Manöver.
Sie lächelte ihrem Onkel zu, der neben sie trat. »Möchtest du nicht auch einmal fliegen?«, fragte sie.
»Das überlasse ich den Jüngeren – und Wendigeren. Es ist ein prachtvoller Anblick, Moira. Und er erfüllt einen mit Hoffnung.«
»Die Drachen haben die Stimmung gehoben. Und im Kampf haben wir durch sie einen Vorteil. Siehst du Blair? Sie reitet auf ihnen,
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