Rot wie die Liebe
die Sonne, und sie rannte schreiend davon.«
»Du warst schon immer furchtlos«, murmelte er.
»Sie kam niemals wieder, solange ich lebte, und sie kam auch nie wieder, bis du und Hoyt gemeinsam nach Hause kamt. Zusammen seid ihr stärker als jeder für sich allein.
Sie fürchtet und hasst das, aber sie beneidet euch auch darum.«
»Wird er die Schlacht überleben?«
»Das weiß ich nicht. Aber wenn er fällt, stirbt er ehrenvoll. Als Lebender.«
»Ehre ist ein kalter Trost, wenn du in der Erde liegst.«
»Warum bedeutet dir dann deine Ehre so viel?«, fragte sie mit leiser Ungeduld in der Stimme. »Ehre hat dich doch hierher gebracht. Ehre trägt dich mit deinem Schwert in den Kampf. Sie konnte sie dir nicht aussaugen, und das Wenige, was geblieben ist, hat für dich schon gereicht. Du hast diese Entscheidung getroffen. Es stehen dir noch weitere bevor. Denk an mich.«
»Nicht. Geh nicht.«
»Denk an mich«, wiederholte sie. »Bis wir einander wiedersehen.«
Als er wieder alleine war, ließ er den Kopf in die Hände sinken. Er erinnerte sich an viel zu vieles.
13
Das Turmzimmer, in dem Hoyt und Glenna ihre Zaubertricks ausarbeiteten, mied Cian die meiste Zeit. Sie erzeugten häufig Licht, Blitze, Feuer und andere Elemente, die für Vampire nicht so günstig waren.
Aber jetzt brauchte er seinen Bruder.
Bevor er klopfte, stellte er fest, dass die beiden Schutzsymbole an der Tür des Turmzimmers angebracht hatten, um Neugierige fernzuhalten. Er wäre selbst lieber draußen geblieben, musste jedoch mit Hoyt sprechen. Glenna trug nur eine Baumwollhose und ein Tank Top. Die Haare hatte sie sich zusammengebunden, und ihre Haut war schweißbedeckt. Cian zog die Augenbrauen hoch.
»Oh. Störe ich?«
»Nein, es ist leider nichts Körperliches. Es ist nur schrecklich heiß hier drin. Wir arbeiten mit Hitze und Feuermagie. Tut mir leid.«
»Extreme Temperaturen machen mir nicht viel aus.«
»Oh. Gut.« Sie schloss die Tür hinter ihm. »Wir haben die Fenster verrammelt, damit alles im Raum bleibt. Du brauchst dir also wegen des Tageslichts keine Sorgen zu machen.«
»Die Sonne ist sowieso schon fast untergegangen.«
Er blickte zu Hoyt, der an einem riesigen Kupfertrog stand. Er hatte die Hände darüber ausgebreitet, und selbst auf diese Entfernung spürte Cian noch mehr Hitze, Macht und Energie.
»Er lädt die Waffen mit Feuer auf«, erklärte Glenna. »Und ich habe eigentlich an so einer Art Bombe gearbeitet. Etwas, was wir von oben herunterwerfen können.« Sie wischte sich den Schweiß von der Stirn. »Soll ich eine Führung mit dir machen?«
»Eigentlich … Ich wollte … Ach, ich rede einfach mit Hoyt, wenn er nicht mehr so viel zu tun hat.«
»Warte.« Glenna konnte sich nicht erinnern, Cian jemals so durcheinander erlebt zu haben. Nein, nicht durcheinander, dachte sie. Aufgeregt. »Er braucht sowieso eine Pause. Und ich auch. Wenn dir die Hitze nichts ausmacht, bleib doch einfach noch ein paar Minuten. Er ist gleich fertig. Ich gehe ein bisschen an die frische Luft.«
Cian packte sie an der Hand, bevor sie sich zum Gehen wandte. »Danke, dass du nicht gefragt hast.«
»Ist schon okay. Und wenn du ein Problem hast, ich bin da.«
Als sie hinausgegangen war, lehnte Cian sich an die Tür. Hoyt blieb mit ausgestreckten Händen vor dem Kessel stehen, aus dem silberner Rauch aufstieg. Seine Augen waren dunkel, wie immer, wenn er seine Macht ausübte.
Es war schon früher so gewesen, dachte Cian, als sie noch Kinder waren.
Wie Glenna hatte auch Hoyt sich für die Arbeit ausgezogen und trug nur ein weißes T-Shirt und ausgebleichte Jeans. Selbst nach all den Monaten war es für Cian immer noch seltsam, seinen Bruder in der Kleidung des einundzwanzigsten Jahrhunderts zu sehen.
Hoyt hatte sich nie für Mode interessiert, dachte Cian. Ihm war es immer nur um Würde und Ziele gegangen. Sie sahen einander zwar ähnlich, gingen aber von völlig verschiedenen Positionen ans Leben heran. Hoyt liebte die Einsamkeit und das Studium, er die Gesellschaft und Geschäfte.
Trotzdem hatten sie sich sehr nahe gestanden und waren zutiefst miteinander verbunden gewesen. Und sie hatten einander auf eine starke, stetige Weise geliebt, dachte Cian jetzt.
Und dann hatte sich die Welt und alles, was darin war, verändert.
Was tat er also hier? Suchte er nach Antworten, nach Trost, obwohl er doch eigentlich wusste, dass es beides für ihn nicht gab? Nichts konnte rückgängig gemacht werden, kein einziger Akt, kein
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