Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Rot wie die Liebe

Rot wie die Liebe

Titel: Rot wie die Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Roberts
Vom Netzwerk:
mitgenommen. Das war vielleicht ein Spaß gewesen! Das Schreien, Rennen und Weinen! Und das Essen!
    Es war viel besser, als Menschen in den Höhlen zu jagen oder einen Vampir zu verbrennen, der böse gewesen war. Es war besser als alles, woran er sich erinnern konnte.
    Die Erinnerungen an seine menschliche Familie waren nur vage. Manchmal wachte er aus einem Traum auf und war einen Augenblick lang in einem Zimmer mit Bildern von Rennwagen an der Wand und blauen Vorhängen an den Fenstern. Im Schrank waren Monster, und er schrie, bis sie kam.
    Sie hatte braune Haare und braune Augen.
    Manchmal kam auch der große Mann mit dem kratzigen Gesicht. Er jagte die Monster weg, setzte sich zu ihm ans Bett und strich ihm über die Haare, bis er wieder eingeschlafen war.
    Wenn er sich sehr anstrengte, konnte er sich daran erinnern, wie er im Wasser geplanscht hatte, wie der nasse Sand unter den Füßen weggerutscht war und der Mann gelacht hatte, als die Wellen sie nass gespritzt hatten.
    Dann hatte er nicht mehr gelacht, sondern geschrien: »Lauf! Lauf weg, Davey, lauf weg!«
    Aber er strengte sich nicht oft an.
    Es machte viel mehr Spaß, ans Jagen und Spielen zu denken. Wenn er ganz artig war, überließ ihm seine Mutter einen Menschen als Spielzeug. Am besten gefiel ihm ihr Geruch, wenn sie Angst hatten, und die Geräusche, die sie von sich gaben, wenn er begann, sie auszusaugen.
    Er war ein Prinz und konnte alles tun, was er wollte. Beinahe alles.
    Heute Nacht würde er seiner Mutter zeigen, dass er jetzt ein großer Junge war. Und dann würde es kein Beinahe mehr geben.
    Als sie die Pferde zügelten, war ihm vor Aufregung beinahe schlecht. Von hier aus würden sie zu Fuß gehen – und dann kam sein Part. Seine Mutter hielt ihn fest an der Hand, aber er wünschte, sie würde es nicht tun. Er wollte lieber wie Lucian und die anderen Soldaten marschieren. Er wollte ein Schwert tragen statt des kleinen Dolches, den er unter seiner Tunika verborgen hatte.
    Und trotzdem machte es Spaß, schneller als jeder Mensch über das Feld auf den Hof zuzugehen.
    Wieder blieben sie stehen, und seine Mutter hockte sich hin, um sein Gesicht mit den Händen zu umfassen. »Mach es genauso, wie wir es geübt haben, mein süßer Junge. Du wirst bestimmt wundervoll sein. Und ich bin jede Minute in deiner Nähe.«
    Er reckte sich. »Ich habe keine Angst vor ihnen. Sie sind doch nur Essen.«
    Lucian schmunzelte. »Er mag zwar klein sein, Euer Majestät, aber er ist durch und durch ein Krieger.«
    Lilith erhob sich und wandte sich an Midir. Eine Hand legte sie auf Daveys Schulter. »Dein Leben«, sagte sie ruhig. »Fang an.«
    Midir breitete die Arme in seinem schwarzen Gewand aus und begann mit seiner Beschwörungsformel.
    Lilith wies die Männer an, auszuschwärmen. Dann schlich sie mit Davey und Lucian näher an den Bauernhof heran.
    Durch eines der Fenster drang der schwache Schein des Feuers, das für die Nacht geschürt worden war. Es roch nach Pferden und ein wenig nach Mensch. Hunger und Erregung stiegen in Davey auf.
    »Halt dich bereit«, sagte Lilith zu Lucian.
    »Mylady, ich würde mein Leben für den Prinzen geben.«
    »Ja, ich weiß.« Kurz legte sie die Hand auf Lucians Arm. »Deshalb bist du auch hier. Gut, Davey. Mach mich stolz.«
    Drinnen im Haus hielten Tynan und zwei andere Wache. Es war schon fast Zeit, die Ablösung zu wecken, und er sehnte sich nach ein paar Stunden Schlaf. Seine Hüfte schmerzte von dem Angriff am ersten Tag des Marsches, und er hoffte, er würde nicht wieder davon träumen, wenn er die müden Augen schloss.
    Gute Männer haben wir verloren, dachte er. Abgeschlachtet.
    Die Zeit würde kommen, wenn er diese Männer auf dem Schlachtfeld rächte. Er hoffte nur, wenn er dort stürbe, dass er zuvor tapfer und stark gekämpft und zahlreiche Feinde vernichtet haben würde.
    Er bereitete sich gerade darauf vor, den Befehl zur Wachablösung zu geben, als er ein Geräusch hörte. Seine Hand fuhr zu seinem Schwertknauf.
    Mit gespitzten Ohren lauschte er. Es konnte ein Nachtvogel gewesen sein, aber es hatte so menschlich geklungen.
    »Tynan.«
    »Ja, ich habe es auch gehört«, sagte er zu einer der anderen Wachen.
    »Es klang wie Weinen.«
    »Pass auf. Niemand soll …« Er brach ab, als er eine Bewegung wahrnahm. »Dort hinten, an der nördlichsten Weide. Siehst du es? Ah, in Gottes Namen, es ist ein Kind.«
    Ein Junge, dachte er, aber ganz sicher war er sich nicht. Er trug zerrissene, blutige Kleidung und taumelte

Weitere Kostenlose Bücher