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Rot wie eine Braut: Roman (German Edition)

Rot wie eine Braut: Roman (German Edition)

Titel: Rot wie eine Braut: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anilda Ibrahimi
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sagte er, »ich komme mir überflüssig vor.«
    Er wartete auch nie mit dem Handtuch in der Tür auf Tante Lola, noch tat er jene kleinen Dinge, die alle Väter mit ihren neugeborenen Kindern tun.
    Die Situation entspannte sich allmählich, je älter und gleichzeitig verwöhnter Greta wurde.
    Onkel Endri wollte keine weiteren Kinder. Greta war Tante Lola zuliebe auf die Welt gekommen, der viel daran lag, Mutter zu werden. Aber ein Kind genügte, sagte Onkel Endri.
    »Und wie steht’s mit einem Jungen?«, fragten die Freunde, die von seiner Vergangenheit nichts wussten.
    Es gibt schon einen Jungen, hätte er gern geantwortet, aber er sagte nichts.

Neun
     
    »Jetzt besetzt du schon seit vier Stunden das Bad«, schrie meine Mutter, »du bist doch nicht Monique Sihanouk.«
    Mama hatte die berühmte Monique Sihanouk nie gesehen, aber ihre Schönheit war derart berühmt, dass kein Tag meiner Jugend verging, an dem ich nicht von ihr sprechen hörte. Sie war mit ihrem Mann, Norodom, nach Tirana gekommen, und während er sich in endlose Sitzungen mit seinen kommunistischen Brüdern zurückzog, kümmerte sie sich um ihr Äußeres. Mama erzählte mit vor Bewunderung glänzenden Augen, dass Monique, um ihre zarte, helle Haut zu bewahren, jeden Morgen in Milch bade. Sie erzählte, dass sie ihr schwarzes Haar mit Zitronensaft spüle, um ihm Geschmeidigkeit und Glanz zu verleihen, und auch mit Regenwasser, dem sie Rosenextrakt von Blumen aus dem eigenen Garten zufügte. Wer weiß, ob sie auf ihre Reisen tütenweise Blütenblätter mitnahm oder ob sie die unbekannten Sorten vor Ort probierte.
    Meine Mutter schminkte sich nicht und legte keinerlei Wert auf ihr Äußeres. Es interessierte sie nicht. Es gibt Frauen, denen die eigene Weiblichkeit, aus welchen Gründen auch immer, vollkommen gleichgültig ist. Ich kenne Mamas Gründe nicht, aber für sie war es ganz bestimmt kein Verzicht. Es war ihre Bestimmung, und anders als man vermuten könnte, war Mama kein bisschen neidisch auf ihre hübschen Freundinnen.
    Ich ähnelte ihr überhaupt nicht. Ich war eitel und auch ein bisschen neidisch. Meine Eitelkeit machte Mama nervös und bereitete Papa Sorge. »Sie ist ganz wie Esma, wir Ärmsten!«, sagte er zu ihr. Ich wusste nicht viel über Tante Esma, denn von ihr sprach man nur hinter vorgehaltener Hand. Ich konnte mir nicht vorstellen, wie diese krumme Alte, die kaum Luft bekam, als ich sie als Fünfjährige ein einziges Mal zusammen mit Großmutter besuchte, in jungen Jahren gewesen war. Papa wiederholte ständig, dass ich dasselbe Ende nehmen würde wie sie, wenn ich weiterhin Stunden damit verbrachte, mir die Haare zu kämmen. Ich kam zu dem Schluss, dass Tante Esma in Angelegenheiten der Kurvëria verwickelt gewesen sein musste. Ich stellte sie mir singend und in knappen Kleidern zwischen Soldaten vor, die rauchten, tranken und sie mit den Blicken auszogen. Ich sah sie, wie sie sich im darüber gelegenen Zimmer entkleidete, wie sie in den Armen der von ihr beglückten Soldaten lachte, wie sie sich stundenlang vor dem Spiegel kämmte, während sie auf die Morgendämmerung wartete. Wie sie schließlich mit ihren bunten Schirmen hinausging, die offenbar ihre große Leidenschaft waren. Sicher ein Geschenk dieser Soldaten. Meine Großmutter hatte einmal gesagt: »Diese albernen Schirme sind ihr zum Verhängnis geworden.«
    Aber das abschreckende Schicksal der Tante dämpfte nicht meine Eitelkeit. Vielleicht war es eine Familienkrankheit. Viel größere Sorgen bereitete mir mein unerbittlicher Neid. Ich war vor allem auf meine Cousinen neidisch. Zwangsweise, denn sie schnitten mit allem besser ab, ob sie nun in Tirana lebten, in Havanna oder gar in Kambodscha.
    Tante Sofija hatte vier Jahre in Kambodscha gelebt, ihr Mann war Diplomat. Als sie zurück nach Albanien kamen, war meine Cousine Enkela noch keine sieben Jahre alt, aber bis sie achtzehn wurde, verging kein Tag, an dem sie mir nicht von der großen Welt erzählte, die sie kennengelernt hatte. Sie sprach von gleißendem Licht, das die Nacht zum Tag werden ließ, von ihren Blumenkleidern und den wunderbaren Dianetten, die es bei uns nicht gab.
    Kam sie mit der Tante zum Mittagessen bei uns vorbei und es gab Reis, fing sie gleich an:
    »Dieser Reis ist klebrig wie Maurermörtel. Tante Klementina, Reis wird in Dampf gegart.«
    Ging es um Schönheit, legte sie mit den Kambodschanerinnen los. Ich muss gestehen, dass ich einmal heimlich in Papas Nachttischchen herumkramte. Dort

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