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Rot wie eine Braut: Roman (German Edition)

Rot wie eine Braut: Roman (German Edition)

Titel: Rot wie eine Braut: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anilda Ibrahimi
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Eine menschliche Stimme, die dich fragt, wie’s dir geht und dir von der neuen Verlobten erzählt.
    Im Haus meiner Mutter schlug die Nachricht von der Verlobung des Onkels wie eine Bombe ein.
    »Was?«, rief Großvater. »Wir haben ihn zu den russischen Brüdern geschickt, damit er studiert, und er denkt an die Frauen?«
    Onkel Endri hatte in jenem Land der frostigen Winter etwas zum Aufwärmen gefunden.
    Beim darauffolgenden Telefonat bat Onkel Endri den Vater, ihm eine Reihe von Papieren zu beschaffen. Es waren die Unterlagen, die er brauchte, um Inessa Kokalëva zu heiraten, so hieß die Verlobte. Aber Großvater erwiderte, dass er ihm ganz und gar nichts beschaffen könne. Der Onkel müsse zur albanischen Botschaft in Moskau gehen und die Zuständigen über sein Liebesverhältnis und seine Absichten informieren. Unsere diplomatische Vertretung würde eine umfassende Akte über das Mädchen anlegen und alles ans Zentralkomitee der Partei nach Tirana schicken.
    Es fragt sich, wie unsere Botschaften im Ausland während des Regimes zurechtkamen: bei all unseren Männern, die sich in jenen Jahren in Russinnen verliebten …
    An jenem Tag gelang es Großvater nicht, den Knoten im Hals aufzulösen, der sich während des Telefonats gebildet hatte. Die nachfolgenden Ereignisse sollten ihm recht geben.

Acht
     
    Onkel Endri und Inessa heirateten 1958 mit einer schlichten Feier in der Datscha ihrer Familie. Von seiner Familie war niemand dabei.
    In jener Zeit begann sich das Klima zwischen unseren Ländern abzukühlen, aber das Schlimmste sollte noch kommen: der endgültige Bruch. Es geschah im November 1960, auf der Konferenz der 81 Parteien des sozialistischen Lagers in Moskau. Unser Vater Hoxha bezichtigte den Genossen Chruschtschow des Revisionismus und entzog ihm die Unterstützung. Wir würden unseren Weg allein beschreiten.
    Onkel Endri lebte weiterhin sein normales, glückliches Leben mit Inessa. Aber nach diesem verfluchten November begannen die Rückführungen in die Heimat.
    Onkel Endri kam an einem Morgen im Oktober 1961 zurück nach Vlora. Er war kein Mensch mehr, sondern ein wandelnder Leichnam. Er hatte nichts bei sich, weder Taschen noch Koffer und erst recht nicht seine Frau.
    Tagelang schloss er sich im Zimmer ein. Anfangs glaubten alle, er sei nur müde. Moskau lag schließlich nicht um die Ecke.
    Aber er stand einfach nicht aus dem Bett auf. Das Essen, das ihm die Mutter auf einem Tablett brachte, blieb unberührt. Er sprach mit niemandem und blickte nicht einmal auf, wenn jemand ins Zimmer kam. Das Einzige, was er noch schaffte, war zu rauchen.
    »Wer weiß, was dieses Weib mit ihm gemacht hat, da soll einer die ausländischen Frauen verstehen. Sie wird ihn verhext haben, das ist es. Sie hat ihn verhext, um ihn für immer an sich zu binden. Mein armer Sohn, wir Ärmsten, er wird sterben«, sagte meine Großmutter mütterlicherseits.
    Sie ging mitten in der Nacht in sein Zimmer. Sie wollte sein Gesicht sehen, seinen Ausdruck, seine Falten. Sie wollte nach einer Spur suchen, die sie zu ihrem Kind führen würde. Sie streichelte ihm über die Stirn. Er zitterte am ganzen Leib. Er lächelte schwach und bewegte nur die Augen. Zu mehr war er nicht in der Lage.
    »Wenn du so weitermachst, wirst du sterben«, sagte sie einmal zu ihm. »Denkst du gar nicht an mich? Denkst du gar nicht daran, wie ich mich fühle, wenn ich dich so sehe und nichts machen kann?« Sie fing an zu weinen.
    »Du kannst mich immerhin noch sehen. Es gibt Eltern, die ihre Kinder nie wiedersehen werden.«
    Seine Worte glichen einem Flüstern aus dem Jenseits. Für Großmutter waren sie unverständlich. Das Einzige, was sie verstand, war der dumpfe Schmerz ihres Sohnes.
    Danach, weitere Wochen des Schweigens.
    Meine Mutter verbrachte viel Zeit mit ihm. Sie sprach zu ihm bis zur Erschöpfung. Er zeigte keinerlei Regung.
    »Es ist sinnlos«, sagte mein Großvater. »Er hört dir nicht zu, du redest gegen eine Wand.«
    »Ich weiß«, sagte Mama, »ich weiß. Aber wenigstens sieht er mich und weiß, dass er nicht allein ist.«
    Manchmal brachte ihm meine Mutter wilde Rosen, die er so gern mochte. Die hellen, zarten Blütenblätter welkten rasch in dem dunklen Zimmer.
    Oder sie las ihm seine Lieblingsgedichte vor. Aber die Dichter, die mein Onkel mochte, waren Russen. Wahre Dichtung hatte für ihn nur einen Namen: Wladimir Majakowskij.
    Mama versuchte oft, auf Russisch zu lesen, sie hatte es lange in der Schule gelernt. Natürlich sprach sie

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