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Rot wie Schnee

Rot wie Schnee

Titel: Rot wie Schnee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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der neun Jahre wegen Mordversuch, Brandstiftung und Widerstand gegen die Staatsgewalt absaß, und rammte Agne Salme sein Knie in den Schritt.
    »Lass das! Verdammt, macht, dass ihr reinkommt! Willst du mit?«, schrie der Entführer des Lkw Patricio zu, der reglos dastand.
    »Venga!«, schrie Franco von der Ladefläche.
    Patricio sprang auf, und dann wurde Agne Salme gezwungen, einzusteigen.
    |295| Der Alarm war in dem Moment losgegangen, als man in der Zentrale sah, wie die drei Minigolfspieler vom Platz rannten. Gut eine Minute später verließ der Lkw die Strafanstalt.
    Die Polizei wurde zwar unmittelbar alarmiert, aber die Situation war alles andere als leicht. An der Abfahrt nach Spillersboda hatte es einen Verkehrsunfall gegeben, und dort war ein Streifenwagen im Einsatz. In Gräddö hatte jemand bei einem Haus Feuer gelegt, was außer der Feuerwehr auch den Einsatz der Polizei verlangte. Nur Minuten später kam eine Meldung über eine Schießerei zwischen Finsta und Rimbo herein. Ein Lastwagen und zwei Personenwagen waren vom Waldrand aus beschossen worden. Zwar war niemand zu Schaden gekommen, aber alle verfügbaren Streifenwagen waren dorthin beordert worden.
    Die Polizisten Sune Bark und Anders Kristiansson waren über Funk wegen der Schießerei alarmiert worden, als sie sich nördlich von Norrtälje befanden. Sie kamen gerade von Grisslehamn, wo sie einen Pensionär wegen einer Reihe von Einbrüchen in die Sommerhäuser der Gegend vernommen hatten. Sie wurden aufgefordert, sich unmittelbar nach Finsta zu begeben.
    Eine Viertelstunde später kam der Gegenbefehl, nämlich auf der Stelle zur Strafanstalt von Norrtälje zu fahren.
    Bark kam frisch von der Polizeihochschule. Ein gewalttätiger Betrunkener auf der Fähre nach Blidö war das Gefährlichste, was er bisher erlebt hatte.
    Anders Kristiansson hatte dagegen nach zwanzig Jahren im Dienst, die meiste Zeit im Streifenwagen, umso mehr gesehen und erlebt. Er hatte bei mehreren Gelegenheiten zur Strafanstalt ausrücken müssen, bei Ausbruchsversuchen und gelungenen Ausbrüchen. Ihm war klar, dass es dieses Mal ernster war, denn sie hatten von der Einsatzzentrale mehr Informationen erhalten, und das prägte er zum wiederholten Mal seinem jungen Kollegen ein.
    |296| »Dieses Mal müssen wir auf die Geiseln Rücksicht nehmen«, sagte er, »und die Verbrecher, mit denen wir es zu tun haben, sind bewaffnet und zu allem bereit.«
    Im nächsten Moment fluchte er über einen Autofahrer, der offenkundig weder Blaulicht noch Martinshorn beachtete. Um schneller weiterzukommen, schaltete Kristiansson routiniert und rauschte auf der falschen Seite an einer Verkehrsinsel vorbei.
    Der Scania stand etwa einen Kilometer von der Strafanstalt entfernt auf einem Parkplatz. Anders Kristiansson bremste, schaltete das Martinshorn ab und fuhr langsam an dem Lkw vorbei, konnte aber keine Personen entdecken. Hundert Meter weiter wendete er auf der Straße. Bark informierte inzwischen die Zentrale.
    Anders Kristiansson entschied, dass Bark im Auto bleiben und Kontakt mit der eilends eingerichteten Leitstelle halten sollte. Er verließ den Wagen und zog seine Dienstwaffe.
    Die Lkw-Plane flatterte. Ein roter Amazon fuhr gemächlich vorbei. Der Fahrer, ein älterer Mann, sah ihm wie gebannt zu, sodass der Wagen fast von der Fahrbahn abgekommen und im Graben gelandet wäre.
    »Sieh zu, dass die Straße gesperrt wird!«, schrie Kristiansson. Dann näherte er sich vorsichtig dem Lastwagen. Er hielt sich am Straßenrand, kam zum Unterstand einer Bushaltestelle und zögerte dort sekundenlang. Beim Lastwagen war alles ruhig.
    Er sprang über einen niedrigen Zaun in einen Privatgarten, bewegte sich zwischen Himbeerbüschen vorwärts – vereinzelt hingen noch Beeren dran   –, stieg aufs nächste Grundstück und kam so langsam immer näher an den Lkw heran.
    Hinter einem Busch versteckt starrte er durch die offene Tür in ein leeres Fahrerhaus. Auf dem Asphalt lag ein Schuh. Der Lkw war verlassen. Die Gefangenen und ihre Befreier waren geflohen. Anders Kristiansson sah sich um und entdeckte |297| am Fenster eines Einfamilienhauses etwa fünfzehn Meter entfernt auf dem Grundstück zwei Gesichter. Aus einem Reflex heraus hob er die Waffe und ging auf die Knie.
    Anders Kristiansson fluchte. Die Stacheln des Stachelbeerbusches ritzten seine Hände auf, und für einen Moment fühlte er sich in den Garten seines Elternhauses am Fuß des Kinnekulle zurückversetzt. Erntezeit. Rote und schwarze

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