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Rot wie Schnee

Rot wie Schnee

Titel: Rot wie Schnee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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der Frustration und Gewalt zugrunde lagen, denen sie bei ihrer Arbeit begegnete. Sie war längst zu dem Schluss gekommen, dass es keine einfachen Antworten gab.
    Manchmal kam es ihr vor, als grübelte sie zu viel. Als machte sie es sich selbst damit schwer. Vielleicht blockierten die Gedanken eine effektive Ermittlungsarbeit? Nein, so ist es nicht, dachte sie dann. Im Gegenteil. Wir denken in zu engem Rahmen.
    Unzulänglichkeit und Zeitmangel, das war die Schlinge, in der sie festhingen und die Lindell und ihre Kollegen langsam, aber sicher strangulierte. Mit ausreichend Personal, und zwar nicht unbedingt nur Polizisten, könnten sie mit Sicherheit die meisten Verbrechen aufklären. Und vor allem verhindern, dass sie überhaupt geschahen.
    |290| Es könnte so anders sein. Alle wussten es, wenige sprachen darüber, und kaum jemand kämpfte für eine Verbesserung der bestehenden Ordnung. Der Schlendrian war zur vorherrschenden Arbeitsmethode geworden.
    Sie ging zurück zum Schreibtisch, setzte sich und rief Ottosson an, um ihm von Slobodan Anderssons Besuch zu berichten. Danach telefonierte sie mit Beatrice. Der war es zwar gelungen, die Firma ausfindig zu machen, die den Film produziert hatte, aber niemand konnte oder wollte über die Mitwirkenden Auskunft geben. Sie versprach, ihre Nachforschungen fortzusetzen.
    »Mexiko«, murmelte Lindell, nachdem sie aufgelegt hatte.
    Was hatte die Tätowierung zu bedeuten, und vor allem, was hatte es zu bedeuten, dass sie entfernt wurde? Lindell kam wiederum zu dem Schluss, dass es sich um ein persönliches Motiv handeln müsse. Was hatte Armas – und vielleicht Slobodan Andersson – in Mexiko getan, das solche Gefühle wecken konnte? War Liebe im Spiel? Ihr kam die Idee, dass Armas vielleicht jemanden enttäuscht hatte. Vielleicht war eine Frau schwanger geworden, und er war abgehauen. Die Rache kam in Gestalt eines empörten Verwandten, der Gerechtigkeit einfordern, der ihn vielleicht dazu bringen wollte, zu bezahlen. So gesehen konnte der Gefiederte ein Symbol sein.
    Aber dann stellte sich doch die Frage, ob der Mörder von der Tätowierung gewusst oder ob er sie zufällig entdeckt hatte. Im ersten Fall musste der Mörder Armas gut gekannt haben. Oder die verschmähte Frau hatte von der Tätowierung berichtet, um Armas sicher zu identifizieren.
    Ann Lindell drehte und wendete die Fragen. Zu einem Schluss kam sie auf alle Fälle, nämlich dass Slobodan Andersson mehr wusste, als er bereit war zuzugeben. Sie war davon überzeugt, dass er die Geschichte der Tätowierung kannte, dass er genau wusste, wo, wann und in welchem Zusammenhang sie entstanden war. Das schweißüberströmte Gesicht |291| des Wirts und seine nicht zu übersehende Unruhe wiesen ebenfalls in die Richtung.
    Aber gab es denn eine Verbindung zwischen Video und Tätowierung? Der Pornofilm war in Kalifornien produziert worden. War er dort auch aufgenommen worden? Vielleicht in Mexiko? Schönell hatte auf den Mittelmeerraum getippt, doch solche Golfplätze und Sandstrände, wie sie im Film vorkamen, gab es gewiss auch in Mexiko? Bei Acapulco, wovon Slobodan Andersson geredet hatte, handelte es sich ja wohl um ein Touristenziel am Meer?
    Ob es nun Armas’ Sohn war, der von einem Golfschläger penetriert wurde, und ob Armas das gelinde gesagt peinlich fand – was sehr wahrscheinlich war angesichts seiner Schwulenfeindlichkeit, von der Slobodan Andersson und andere berichtet hatten   –, was hatte Mexiko damit zu tun? Mehr als dass die Filmaufnahmen möglicherweise dort gedreht worden waren?
    Hatte es in Acapulco einen Zusammenstoß zwischen Armas und seinem Sohn gegeben?
    Die Fragen häuften sich. Lindell hatte das Bedürfnis, sie mit jemandem durchzusprechen. Aber bevor sie sich mit Kollegen austauschte, wollte sie alle neuen Informationen erst einmal sacken lassen.

46
    S ören Sköld arbeitete seit elf Jahren als Lastwagenfahrer, die letzten vier davon für Enquists Holz- und Bauprodukte. Sein derzeitiger Lkw war ein zwei Jahre alter Scania. Er war mit ihm zufrieden, ebenso wie mit dem Job. Der Seniorchef Wilhelm Enquist, um die achtzig Jahre alt und immer noch aktiv in der Firma, informierte Sören über die Fahrten des anstehenden |292| Tages. Er versorgte ihn mit gutem Rat, als handelte es sich um wunderbare Neuigkeiten.
    Ich weiß es doch, dachte Sören Sköld müde, ich weiß alles über die Fahrten heute und morgen. Aber er ließ Enquist erzählen. Dann warf er seine Tasche ins Fahrerhaus und ging noch

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