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Rot wie Schnee

Rot wie Schnee

Titel: Rot wie Schnee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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konnte ja genauso gut ein naher Verwandter sein, ein Neffe zum Beispiel. |287| Aber vor Slobodan Andersson konnte sie nun keinen Rückzieher mehr machen.
    »Wir lassen das«, sagte sie leichthin. »Lassen Sie uns stattdessen über Mexiko sprechen.«
    Slobodan Andersson fuhr erschrocken zusammen. Er versuchte zu lächeln, aber das ging völlig daneben. Als erwäge er zu fliehen, huschte sein Blick zwischen Ann Lindell und der Tür hin und her.
    »Warum das?«
    »Die Tätowierung auf Armas’ Oberarm hatte doch etwas zu bedeuten, nicht wahr? Sie waren doch mit in Guadalajara? Und das liegt in Mexiko.«
    Lindell musste sich anstrengen, um den Namen richtig auszusprechen. Slobodan Andersson sagte nichts, sodass sie nachlegte: »Deshalb müssen wir über Mexiko reden. Warum musste es eine mexikanische Gottheit sein? Was kann das für Armas’ Mörder bedeutet haben?«
    »Darüber weiß ich nichts. Wie soll ich   …«
    »Nun reißen Sie sich mal zusammen«, unterbrach ihn Lindell. »Was für eine Verbindung hatten Sie zu Mexiko?«
    »Okay, wir sind dort gewesen«, gab Slobodan Andersson nach. »Aber das hat nichts zu bedeuten. Möglich, dass sich Armas dort tätowieren ließ, daran erinnere ich mich nicht so genau. Wir haben ordentlich einen draufgemacht, und ich war wohl nicht   …«
    Er verstummte.
    Lindell studierte den schwitzenden Mann, als sei er eine Erscheinung, etwas, das in ihrem Büro gelandet war und dessen Identität sie nun zu ergründen suchte.
    »Was haben Sie in Mexiko gemacht?«, unterbrach sie das Schweigen, das nach ihrer Einschätzung für ihn Ewigkeiten gedauert haben musste.
    Da lehnte er sich plötzlich eifrig vor.
    »Wir hatten ja finanzielle Probleme, das haben Sie sicher |288| längst herausgefunden. Wir hielten uns eine Weile verborgen, das gebe ich ja zu, aber wir haben unsere Schulden bezahlt! Und wenn es eng wird, versucht man, billig zu leben, oder? Mexiko ist preiswert. Da kann man ein Hotelzimmer für zehn Dollar bekommen. Kein Luxus, aber man überlebt.«
    »Aber dann kamen Sie doch zurück?«
    Slobodan Andersson nickte. Nach dem langen Monolog war ihm wohl die Puste ausgegangen.
    »Und bezahlten Ihre Schulden. Aber da erhebt sich die Frage, woher das Geld kam? Fanden Sie so viele Dollars in Mexiko?«
    »Ich kann aus Ihrem Ton heraushören, dass Sie nicht richtig wissen, wie das läuft. Ich bin ein erfahrener Gastwirt, und es gibt immer Menschen, die bereit sind, einen Einsatz zu leisten. Ich hatte gute Freunde, die sich zur Verfügung stellten.«
    »In Mexiko?«
    »Nein, in Dänemark und in Malmö. Außerdem haben wir im Casino von Acapulco gewonnen. Von Armas kam auch ein Zuschuss. Ich glaube, der hatte was geerbt oder so.«
    »Okay. Sie kamen also plötzlich zu Geld und kehrten zurück, lassen wir das erst mal so stehen. Kann in Mexiko etwas passiert sein, das zu Armas’ Tod führte? Sind Sie Leuten begegnet, die vielleicht einen Groll auf Armas hegten?«
    »Wer sollte das sein?«
    »Das frage ich mich ja gerade«, sagte Lindell.
    Slobodan Andersson schüttelte den Kopf.
    »Werden Sie bedroht?«
    Er blickte auf, und seine Miene wirkte, als wäre ihm urplötzlich eine neue Einsicht gekommen.
     
    Als Slobodan Andersson gegangen war, roch es ihrem Büro unangenehm nach Schweiß. Lindell riss das Fenster weit auf. Dabei entließ sie eine Hummel in die Freiheit. Wie mochte die hereingekommen sein? Die Hummel drehte vor dem Fenster |289| erst noch eine Runde, dann flog sie davon. Nach Osten, bemerkte Lindell.
    Sie blieb am Fenster stehen, ließ den Blick über die Stadtlandschaft schweifen, über Fassaden und Dächer, und erinnerte sich mit einer gewissen Wehmut an den Blick aus ihrem Büro im alten Polizeipräsidium in der Salagatan. Nicht, dass der Ausblick schöner gewesen wäre, im Gegenteil, da hatte sie meist auf Beton geschaut. Aber für sie war die Aussicht verknüpft mit den Erinnerungen an frühere Ermittlungen. Vielleicht ja auch mit Edvard? Dort hatten sie sich getroffen. Nicht beim ersten Mal, denn das war an einem Tatort gewesen, weil Edvard den Ermordeten gefunden hatte, aber danach. Sie erinnerte sich an seinen ersten Besuch und an ihren Eindruck von ihm. Er war so anders als die Männer, die sie vorher gekannt hatte.
    Sie drängte die Erinnerung zurück und ließ den Blick über die Dächer von Uppsala wandern. Andere Menschen erschufen Dinge, Dächer und Fassaden zum Beispiel, sie hingegen sammelte Informationen und Zeugenaussagen und grübelte über Motive nach, die

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