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Rot wie Schnee

Rot wie Schnee

Titel: Rot wie Schnee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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Idee ist«, sagte José. »Da gibt es jede Menge Bullen.«
    »Wohin willst du?«
    »Nach Norden«, sagte José, und Patricio ahnte das zufriedene Lächeln auf dem schmalen Gesicht, obwohl José sich bemühte, gleichgültig auszusehen. Seit er sich auf der kurzen |300| Fahrt im Lieferwagen sogar noch den Bart abrasiert hatte, wirkte er nahezu ausgemergelt.
    »Ich will nach Uppsala«, sagte Patricio.
    »Kennst du da wen?«
    »Vielleicht.«
    »Ich würde dir gern helfen, wir sind doch wie Landsleute. Aber ich kann da nicht hinfahren, verstehst du? Dort wimmelt es von Bullen. Allerdings kann ich dir sagen, was du machen musst. Ich hab Geld, sieh im Handschuhfach nach.«
    Patricio war von Josés Fürsorglichkeit gerührt, er hatte den Eindruck, dass der andere es ehrlich meinte, dass er ihm tatsächlich helfen wollte. Im Handschuhfach lag ein brauner Umschlag.
    »Mach ihn auf«, sagte José.
    Patricio nahm den Umschlag und öffnete ihn. Darin lag ein Bündel Geldscheine.
    »Das sollten zwanzigtausend Schwedenkronen sein«, sagte José. »Nimm fünf.«
    Patricio protestierte erst, akzeptierte das Geld dann schließlich doch. Es würde ihm nützlich sein.
    José verlangsamte das Tempo und hielt auf dem Parkplatz bei einer Kirche an. Aus dem Fach in der Tür nahm er eine Landkarte, faltete sie auf und zeigte Patricio, wo sie im Moment waren und wie sie durch Uppland fahren würden.
    »Ich kann dich in Tierp rauslassen. Vor dort kannst du mit dem Bus oder dem Zug nach Uppsala fahren. Du kannst doch ein bisschen Schwedisch?«
    José überlegte und erklärte dem Mexikaner dann, wie er vorgehen solle: So ruhig wie möglich in den Zug einsteigen, beim Schaffner eine Fahrkarte lösen, nur »Uppsala« sagen und nicken, wenn der Schaffner etwas frage. Der wolle sicher nur wissen, ob er eine Fahrkarte für eine einfache Fahrt haben wolle.
    In Uppsala solle er aussteigen, sich einen Stadtplan besorgen |301| und sich unter die Menschen im Zentrum mischen. Nicht ins Hotel gehen. In einem großen Supermarkt Lebensmittel einkaufen und anschließend versuchen, einen Ort zum Übernachten zu finden.
    »Kauf dir eine Decke oder einen Schlafsack. Wenn dich einer fragt, woher du kommst, bist du ein spanischer Tourist. Okay?«
    Patricio nickte.
    »Du kannst nicht gleich Kontakt zu deinem Bekannten aufnehmen, ist das klar? Möglich, dass die Bullen deinen Freund bewachen.«
    »Das glaube ich nicht«, sagte Patricio, der erst jetzt begann, über den Bruder nachzudenken. Er hatte gesagt, er wolle nach Uppsala fahren, um den Dicken und den Langen ausfindig zu machen. Wo war Manuel?
    »Du bereust es nicht?«
    »Nein«, antwortete Patricio, war sich in Wahrheit aber nicht sicher, ob es richtig gewesen war, aus dem Gefängnis zu fliehen.
    »Falls sie dich schnappen, sag nichts davon, wie wir es gemacht haben, und dass du in diesem Auto mit mir gefahren bist und wo ich dich rausgelassen habe.«
    »Ich halte dicht«, sagte Patricio.
    José lachte. Patricio sah ihn an und lächelte. Ein gutes Gefühl, ein Lachen in Freiheit zu hören, einen Freund gefunden zu haben.
    »Wir leben noch eine Weile«, sagte José.
     
    Dunkle Wolken zogen von Süden auf, als Patricio am Hauptbahnhof von Uppsala aus dem Zug stieg. Der Regen prasselte mit geradezu tropischer Heftigkeit auf den Bahnsteig, und Patricio blieb einige Augenblicke ganz still stehen und überließ sich den kräftigen warmen Tropfen. Dann rannte er den Bahnsteig entlang, über die Gleise und ins Bahnhofsgebäude.
    |302| Aus dem Lautsprecher tönte eine metallische Stimme. Patricio blieb einen Moment stehen. Ihn fröstelte, denn das T-Shirt war ziemlich nass geworden. Er hörte die Gespräche und das Lachen der Menschen um ihn herum, und die Vielfalt an Farben und Bewegungen erstaunte ihn. Die Stimmung war entspannt. Als er mit dem Menschenstrom das Gebäude verließ, fand er sich auf einer Treppe vor einem kleinen Platz wieder. Auf der Straße parkte ein Streifenwagen.
    »Manuel, wo bist du?«, murmelte er und sah sich um. Links lagen ein Parkplatz und ein Busterminal. Rechts stand, ungeordnet, eine Armee von Fahrrädern. Die meisten Menschen gingen in diese Richtung, und Patricio folgte ihnen ins Stadtzentrum. Der Regen hatte so schnell aufgehört, wie er gekommen war. Die dunkle Wolkendecke riss auf, und eine blasse Sonne kam zum Vorschein und verteilte warmes Licht über die Stadt.
    Nach und nach kam Patricio über den Schock hinweg, aus dem Gefängnis ausgebrochen und nicht länger hinter

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