Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Rot wie Schnee

Rot wie Schnee

Titel: Rot wie Schnee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
Vom Netzwerk:
suchen. Aber der einzige Mensch, den er sah, war ein einsamer Arbeiter, der mit einer Unkrautspritze auf dem Rücken durch die Erdbeerzeilen ging und Gift versprühte.
    Der Mann, der seinen Ruf vielleicht gehört hatte, sah auf und hob die freie Hand zu einem Gruß. Manuel winkte zurück.
    Er stolperte die Böschung hinunter zum Zelt, holte die Tasche mit der Kleidung heraus, zog sich aus und stieg vorsichtig in den Fluss. Beim letzten Mal war er auf dem glitschigen Lehm ausgerutscht, ins Schilf gefallen und hatte sich dabei die Arme aufgeschrammt.
    Das kühle Wasser tat ihm gut. Er schwamm ein paar Züge, drehte sich auf den Rücken und ließ den Kopf hintenüber sinken. Er sah den Himmel über der Wasseroberfläche wie durch ein Kaleidoskop. Für einen Augenblick stellte er sich vor, wie es wäre, wenn er sich einfach auf den schlammigen Boden sinken ließe. Da packte ihn die Angst, und er schoss an die Oberfläche und schwamm ans Ufer.
    |308| Sorgfältig kämmte und rasierte er sich, zog saubere Hosen und ein T-Shirt mit einem Motiv von José Guadalupe Posada an: ein Reiter, der über ein Feld mit grinsenden Totenköpfen reitet.
    Er zog die Sporttasche, die er in dem Wochenendhaus gestohlen hatte, aus ihrem Versteck unter einem niedrigen Wacholderbusch inmitten von Weißdorngestrüpp. Er kontrollierte, ob das Kokain noch darin lag.
    Beim Anblick der in Plastik eingeschlagenen und mit Tesafilm zugeklebten Pakete wurde er wieder ganz traurig. Diese ahnungslose Gier seiner Brüder! Aber als er daran dachte, dass er Slobodan Andersson hatte überlisten können, schlug die Trauer in Triumph um.
    Als er das Zelt verließ, sah er sich so gründlich um, als sei er zum letzten Mal hier am Fluss. Er ließ den Blick flussauf- und flussabwärts wandern. Ein Reiher flog in geringer Höhe über das Wasser, ein Schwarm kleiner Fische brachte die Wasserfläche zum Kräuseln, vielleicht jagte sie ein größerer Fisch. Er betrachtete die träge wiederkäuenden Rinder am anderen Flussufer.
     
    Manuel fuhr nach Uppsala, um Slobodan Andersson zu treffen. Der Wirt hatte ihm beschrieben, wie er fahren sollte. Am Kreisverkehr, wo die Autobahn nach Stockholm beginnt, sollte er links abbiegen und nach hundert Metern rechts auf einen Parkplatz fahren.
    Er war früh dran, fand ohne Schwierigkeiten den Kreisverkehr, aber bog nicht zum Parkplatz ab, sondern fuhr auf der Straße weiter. Es war dieselbe, auf der er Slobodan Andersson und »dem Kurzen« gefolgt war. Nach etwa zweihundert Metern ging es zu einem Golfplatz. Dort bog er ein und ließ das Auto stehen. Er wollte sich dem verabredeten Treffpunkt von der Rückseite nähern. Slobodan Andersson sollte sein Auto nicht sehen, damit er ihm auch nicht hinterherfahren konnte.
    |309| Hinter Gebüsch ließ er sich nieder und wartete. Zwanzig Minuten hatte er noch.
    Sein Unbehagen wuchs. Nicht wegen der Transaktion mit dem Dicken – die Stelle war weithin einsehbar, und Slobodan Andersson konnte ihm nichts tun   –, sondern weil er zweifelte, ob der Plan so klug war.
     
    Punkt zwei Uhr bog Slobodan Andersson auf den Parkplatz ein. Wie Armas fuhr er einen BMW.   Er schaltete den Motor ab, stieg aber nicht aus, sah sich nur um. Offenbar klingelte sein Handy, aber er beendete das Gespräch sofort wieder. Manuel wartete hinter den Büschen ab. Slobodan Andersson wand sich unruhig, und Manuel sah, wie er in Richtung Stadt Ausschau hielt und allen Autos nachschaute, die ostwärts aus dem Kreisverkehr ausscherten.
    Manuel stieg aus dem Graben. Slobodan Anderssons Aufmerksamkeit ging in die andere Richtung, deshalb entdeckte er ihn nicht. Manuel schlich sich an und klopfte ans Fenster.
    Slobodan Andersson stieß die Tür auf. »Warum musst du mich so erschrecken!«
    »Hast du das Geld?«, sagte Manuel.
    Slobodan Andersson sah ihn wütend an.
    »Wo hast du die Ware?«
    »Ich will erst das Geld in der Hand haben, dann   …«
    »Wo hast du das Auto?«
    »Ich bin zu Fuß hierhergegangen«, sagte Manuel. »Wir müssen uns jetzt beeilen.«
    »Gegangen? Her mit der Ware!«
    »Ich will erst das Geld sehen.«
    Slobodan Andersson sah sich um, nahm eine dunkle Plastiktüte vom Beifahrersitz und hielt sie ihm hin. Manuel öffnete sie, und da lagen die Dollarnoten. Hunderter. Vierhundert Hundertdollarscheine.
    »Vierzigtausend?«
    |310| »Sicher doch«, zischte Slobodan Andersson, dem der Schweiß auf der Stirn stand.
    Manuel ließ die Tüte bei Slobodan Andersson zurück und ging los, um die Tasche mit dem

Weitere Kostenlose Bücher