Rot wie Schnee
Gangster war, davon war Slobodan Andersson überzeugt. Aber er sagte nichts zu Måns, der einen Grappa einschenkte und ihm das Glas hinstellte.
»Wie klappt es mit unserem Fräulein von der Post?«
»Gut«, sagte Måns. »Sie macht sich gut. Ich glaube, Tessie ist zufrieden. Es ist eine Verbesserung, verglichen mit Gonzo auf jeden Fall.«
»Erinnere mich bloß nicht an den«, sagte Slobodan Andersson und führte das Glas zum Mund.
Im Hinblick auf gestern sollte er nicht trinken, aber die Macht der Gewohnheit war stark. Ein Glas konnte er sich gönnen.
»Und der Mann für den Abwasch ist eine Perle«, sagte Måns. »Die Bedienung klappt viel besser.«
»Was? Der Kerl ist noch da?!«
Måns sah Slobodan Andersson an.
»Ja, aber das ist doch gut«, sagte er, erstaunt über die Reaktion des Wirts.
»Der muss weg hier«, fauchte Slobodan Andersson, stand erstaunlich schnell auf, umrundete den Tresen und stieß die Tür zur Küche auf.
»Ist der Mexikaner noch da?«
Donald warf ihm einen wütenden Blick zu.
»Venezuela«, sagte er.
»Was? Dieser Geschirrabwäscher, ist der etwa immer noch da?«
Seufzend machte Donald eine Kopfbewegung Richtung Spülküche.
Als Slobodan Andersson die Spülküche betrat, hatte er |346| nichts anderes im Kopf, als diesen Erpresser beim Schlafittchen zu packen und rauszuwerfen. Da kam ihm ein lächelnder Manuel entgegen.
»Ola«, sagte er.
Er stand hinten bei der Spüle. Er hielt ein Messer in der Hand. Slobodan Andersson bremste ab und musste sich an der Spülmaschine abstützen.
»Was zum Teufel tust du hier«, schrie er auf Englisch. »Raus mit dir!«
»Immer mit der Ruhe«, sagte Manuel, und sein Lächeln wurde noch breiter. »Wir haben doch einiges gemeinsam. Hast du das vergessen? Mir gefällt es hier gut. Ich bin nützlich.«
Slobodan Andersson starrte den Mexikaner an. Dieser unverschämte Kerl stand da und grinste! Er erinnerte sich an eine Auseinandersetzung vor vielen Jahren in Malmö. Damals hatte er das Messer in der Hand gehabt.
»Verschwinde!«, schrie er.
»Ich arbeite noch ein paar Tage«, sagte Manuel ruhig, »dann gehe ich. Aber vielleicht bist du bis dahin verschwunden.«
Verdutzt starrte Slobodan Andersson den Abwäscher an. Von der Verlegenheit der letzten Nacht war nichts zu spüren. Lag es am Messer? War er tatsächlich dermaßen dreist, dass er ihm drohte?
»Was soll das heißen? Verschwunden?«
»Du sitzt doch auf einem Vermögen, verlockt das nicht, andere Orte zu sehen?«, sagte Manuel und lachte.
Slobodan Andersson machte auf dem Absatz kehrt, stieß die Tür zum Restaurant auf und verschwand. Schnurstracks ging er zur Bar und befahl Måns, ihm einen großen Bowmore einzuschenken.
»Haben Sie ihn rausgeschmissen?«, wollte Måns wissen, und Slobodan Andersson konnte hinter der unschuldigen Frage die Kritik heraushören.
|347| »Das geht dich verdammt nichts an!«
Måns verzog das Gesicht, griff sich die Whiskyflasche und schenkte ein.
»Mit anderen Worten, er ist noch da«, feixte Måns.
Nachdem er das halbe Glas geleert hatte, war Slobodan Andersson wieder etwas ruhiger. Warum regte er sich eigentlich so auf. Der Mexikaner hatte das Bedürfnis, sich zu rächen, und er musste sich einmal im Leben obenauf fühlen. Slobodan Andersson beschloss, sich nicht weiter um ihn zu scheren. Er hatte ja gesagt, in wenigen Tagen würde er verschwunden sein. Nie im Leben würde er noch mal solche Tortillatypen anheuern. In Zukunft kamen nur noch Spanier infrage.
Der Grund für die ungewöhnliche Großzügigkeit, das gestand er sich ohne Weiteres ein, war die unerwartete Lieferung Kokain, denn die hatte viele Probleme gelöst. Er hatte nach dem schicksalhaften Feuer in Konrads Sommerhäuschen ohne alle Ware dagestanden, hatte das Versprochene nicht liefern können, und das war verheerend. Die Kunden wandten sich zu leicht anderen Quellen zu.
Insofern konnte er doch ruhig mit einem Glas oder zwei feiern. Wie mochte es Manuel gelungen sein, in Deutschland an den Stoff zu kommen? Er war wohl doch nicht so unschuldig, wie er sich gab. Bestimmt war er mit Angel in Europa unterwegs gewesen und hatte dann, als der Bruder abkratzte, ganz einfach übernommen. Die sind doch alle gleich, dachte Slobodan Andersson. Lockst du sie mit ein paar Dollars, dann kommen sie gerannt.
Er gab mit der drallen Hand ein Zeichen, und Måns schenkte ihm ein Bier ein.
»Bist du auf eine Wiederholung aus?«, fragte er zweideutig, aber ehe Slobodan Andersson ihm antworten
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