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Rot wie Schnee

Rot wie Schnee

Titel: Rot wie Schnee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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merke das nicht. Das waren keine unangenehmen Blicke gewesen, nicht so wie die von Johnny. Wenn der sie in der Küche anstarrte, empfand sie das als Mischung aus Verachtung und Lüsternheit. Errötend gestand sie sich ein, dass sie sich gestern vor der Arbeit extra Mühe gegeben hatte, um sich schön zu machen, und wie sie nach dem Blick, mit dem Manuel sie im Umkleideraum angesehen hatte, auf eine verwirrende Weise aufgekratzt war.
    Verliebt war sie nicht in diesen schwer arbeitenden Lügenbold aus Mexiko, aber es war, als käme für sie mit der neuen Arbeit auch eine neue Art, sich zum Leben und der Zukunft zu verhalten. Sie war nicht festgelegt. Sie würde sich entwickeln. Sie würde Geld verdienen und reisen können – wovon sie so lange geträumt hatte. Sie würde einem Mann begegnen und mit ihm flirten und ihn vielleicht lieben. Auf neue Weise lieben, anders als das mit Jörgen gewesen war.
    So gesehen hatte Manuel das »Dakar« für sie wie ein Bote aus einer Welt betreten, die größer war als Uppsala. Wie viele Berichte sie auch las und wie viele Reportagen sie im Fernsehen auch ansah, ein lebendiger Mensch war ein weitaus effektiverer Katalysator für Träume.
    Natürlich war Eva schon früher Menschen aus fremden Ländern begegnet, dafür brauchte man nur einmal durch Sävja zu spazieren. Aber wenn Manuel von Mexiko und seinem Dorf erzählte, geschah das mit so viel Liebe und Sehnsucht, dass Eva die Geschichten mit allen Sinnen aufnahm. Genau sagen, was der Auslöser war, konnte sie nicht, aber er hatte ihre Sehnsucht noch verstärkt.
    Jetzt war er für immer weg. Sie erlebte das wie einen Betrug, so als sei sie gleich zu Anfang einer vielversprechenden Romanze im Stich gelassen worden.
     
    |370| Schlaftrunken schlurfte Hugo in die Küche. Eva stand auf und deckte eilends den Tisch. Sie lächelte, als sie Patriks Plätschern in der Toilette hörte.
    »Wie steht’s?«
    Hugo murmelte etwas und schrie Patrik zu, er solle sich beeilen.
    Als das Frühstück erledigt war – das dauerte nur fünf Minuten, denn beide hatten verschlafen – und sie sich auf den Schulweg gemacht hatten, klingelte das Telefon. Eva sah zur Uhr, es war kurz nach neun.
    Feo berichtete aufgeregt, dass Donald ihn angerufen habe, der wiederum einen Anruf von Oscar Hammer vom »Alhambra« bekommen hatte. Der hatte vom Besuch der Polizei erzählt und dass er alle Schlüssel übergeben musste. Die beiden Restaurants und Slobodans Wohnung sollten durchsucht werden. Die Polizei hatte nichts über die Hintergründe gesagt, aber Hammer vermutete, dass es um Wirtschaftskriminalität ging.
    Als dann Donald zum »Dakar« geeilt war, hatte ein Polizist wie ein Rausschmeißer vor der Tür gestanden und ihm den Zutritt verweigert. Im Restaurant selbst hatte Donald einen Hund erkennen können.
    »Das bedeutet Drogen«, sagte Feo. »Wenn die Steuerfahnder kommen, haben sie keinen Hund dabei.«
    »Glaubst du, dass Manuel   …?«
    »Nein, warum sollten die sich für ihn interessieren? Wegen eines Schwarzarbeiters schlagen die nicht gleichzeitig in beiden Restaurants und bei Slobodan zu Hause zu. Das muss was anderes sein. Verdammter Mist!«
    Eva wurde bewusst, dass Feo an seinen Arbeitsplatz dachte, und erst da merkte sie, dass sie das ja ebenfalls betraf. Wenn die Polizei das »Dakar« schloss, dann war sie wieder arbeitslos.
    »Hat Donald sonst noch was gesagt?«
    »Er versuchte mit den Polizisten zu reden, aber die waren |371| eiskalt. Also ging er wieder nach Hause. Wir müssen abwarten.«
    »Fährst du hin?«
    »Ich muss doch heute arbeiten«, sagte Feo resigniert.
    Nachdem sie aufgelegt hatte, blieb sie am Küchentisch sitzen. Das war zu viel. Erst die Enthüllungen über Manuel und seinen Ausbrecher-Bruder und jetzt das.
    Seufzend erhob sich Eva, holte das Telefonbuch, suchte die Nummer der Polizei heraus, gab die Nummer ein und hörte eine Stimme, die sie aufforderte, zwischen verschiedenen Möglichkeiten zu wählen. Nach ein paar Sekunden unterbrach sie die Verbindung und legte den Hörer auf den Tisch.

58
    M anuel wachte mit einem Ruck auf. Die Sonne stand hoch am Himmel. Ein Schatten auf seinem Gesicht hatte ihn geweckt, und als er die Augen aufschlug, stand ein Mann vor ihm. Manuel fuhr hoch, der Mann trat einen Schritt zurück und rief etwas, sodass auch Patricio aufwachte und sich aufsetzte.
    Der Mann sagte etwas, was sie nicht verstanden. Manuel atmete auf. Das war der Angler, der immer mit der Angelrute über der Schulter

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