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Rot wie Schnee

Rot wie Schnee

Titel: Rot wie Schnee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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vorbeispazierte.
    Manuel beruhigte Patricio mit einer Geste.
    »Not understand«, sagte Manuel.
    Der Angler lachte, redete aber weiter Schwedisch. Dann bückte er sich und tat so, als pflücke er etwas vom Boden, führte die Hand zum Mund und strahlte die Brüder dabei an.
    Manuel sah ihn verständnislos an, aber als der Mann zur Uferböschung deutete, begriff er, dass der Angler die Erdbeerplantage meinte. Manuel nickte eifrig.
    |372| Der Mann wischte sich mit der Hand über die Stirn, verzog angestrengt das Gesicht und fasste sich ins Kreuz.
    Patricio sah der kleinen Pantomime verdutzt zu.
    »Was will er?«
    »Er glaubt, wir pflücken Erdbeeren.«
    Der Mann unterhielt die Brüder noch eine Weile mit Darstellungen dazu, wie schlecht das Angeln klappte und wie herrlich die Sonne wärmte.
    Er verabschiedete sich und verschwand flussabwärts.
    »Er angelt«, sagte Patricio und blickte auf das träge fließende Wasser.
    Er stand auf. Manuel sah dem Bruder zu, wie er zum Flussufer ging, sich hinhockte und die Hand ins Wasser hielt, wie er sich dann umdrehte und ihn anschaute.
    »Weißt du noch, wie wir am Rio Grande standen?«
    Manuel nickte. Wie könnte er das vergessen?
    »Auch dort waren wir Fremde. Wir müssen auch und sogar den freundlichen Menschen misstrauen. Wenn der Angler nun Theater spielt!«
    »Das glaub ich nicht«, entgegnete Manuel.
    »Wie Hamilton, der Brokkolifarmer, der Bier kaufte und uns zu essen gab«, fuhr Patricio fort. »Wir glaubten, er meine es gut mit uns, aber dann holte er die Polizei und betrog uns um den Lohn.«
    »Ich weiß«, sagte Manuel, »aber es hat keinen Zweck, zu grübeln.«
    Er verstand den Bruder ja, aber dessen Verdrossenheit ärgerte ihn auch.
    »Du bist doch frei!«, rief Manuel und machte mit beiden Armen eine große Geste, als könnte er mit einem Schlag alle Verzagtheit vertreiben.
    »Bin ich das?«
    Patricio drehte sich wieder zum Fluss um und starrte auf das Wasser.
    |373| »Wir müssen hier ein paar Tage abwarten, bis sich die Polizei etwas beruhigt hat«, sagte Manuel, »aber du musst daran glauben, dass alles gut geht.«
    Patricio sagte nichts. Manuel musste an Eva denken. Wofür sie ihn wohl hielt? Natürlich für einen Lügner, aber sie glaubte bestimmt, dass er auch ein Drogendealer war.
    Patricio stand auf und nahm sich ein Stück Brot und eine Limo und unterbrach ihn damit in seinen Gedanken. Schweigend aß und trank er.
    »Kann man das essen?«, fragte Manuel.
    »Ich habe Schlimmeres gegessen«, antwortete Patricio und lächelte.
    Manuel lachte erleichtert auf, als ihm klar wurde, dass Patricio sich anstrengte, die Missstimmung zwischen ihnen zu überbrücken.
    »Ich werde auch mal was essen«, sagte er, nahm das Päckchen mit den Broten und setzte sich neben den Bruder.
    »Heute Nachmittag werde ich uns gegrilltes Hähnchen zubereiten«, fuhr er fort.
    In dem Moment war das Rotorengeräusch eines Hubschraubers zu hören, der in geringer Höhe flog. Er schwebte von Norden heran und flog über den Fluss, gut hundert Meter von dort entfernt, wo die Brüder saßen.
    Sie waren so überrascht, dass sie nicht reagieren konnten, ehe der Hubschrauber wieder aus ihrem Gesichtsfeld verschwunden war.
    »Die Polizei«, flüsterte Patricio.
    Manuel wusste nicht, was er glauben sollte.
    »Vielleicht das Militär?«, sagte er und erzählte, er glaube, auf der anderen Seite des Flusses läge ein Militärflugplatz.
    »Die suchen nach mir.« Patricio sprang panisch auf.
    »Ich kann auf die andere Seite schwimmen und das prüfen«, bot Manuel an. »Vielleicht war das nur eine Routineübung und hat nichts mit uns zu tun.«
    |374| Er sah hinüber zu dem Gebüsch, wo er das Geld versteckt hatte. Patricio bemerkte seinen Blick.
    »Während du rüberschwimmst, baue ich das Zelt ab. Selbst wenn sie nicht nach uns suchen – wir sind aus der Luft zu gut zu sehen.«
    Manuel gab ihm recht. Ihr Zelt musste aus der Luft wie eine Fackel leuchten. Er zog sich aus, schwamm durch den Fluss, kletterte auf der anderen Seite ans Ufer und konnte in weiter Entfernung den Hubschrauber erkennen, der gelandet war. Ob es ein Polizeihubschrauber war, konnte er auf die Distanz nicht ausmachen. Aber auf dem Flugfeld schien keine besondere Aktivität zu herrschen.
    Zwanzig Minuten später waren sie unterwegs. Sie folgten dem Fluss in südwestliche Richtung. Dort hatte Manuel einen Wald gesehen, wo es möglich sein sollte, ein besseres Versteck zu finden. Das Auto musste erst mal auf dem Parkplatz des

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